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Erster thrakischer Streitwagen auf zwei Rädern entdeckt

© Foto: BTA

Ein prächtiger zweirädriger Streitwagen mit den Überresten von zwei Pferden kam ans Tageslicht knapp 2.300 Jahre, nachdem sie beim heutigen Dorf Sweschtari im Nordosten Bulgariens vergraben wurde. Die Gegend ist reich an thrakischen Grabhügeln, die seit Jahren studiert werden und wertvolle Teile einer verlorenen Welt preisgeben. Dieser Tage fanden die Archäologen ein weiteres rituelles Begräbnis.
Die Expedition von Professor Diana Gergowa, eine der führenden Thrakologen, fand im vergangenen Herbst in einem der Grabhügel bei Sweschtari eine Truhe, die einen wirklichen Schatz enthielt – goldene Armreife, ein Diadem, Ringe, Knöpfe und andere Gegenstände mit einem Gesamtgewicht von anderthalb Kilo. Die Wertgegenstände gehörten wahrscheinlich König Kotela, der vor 23 Jahrhunderten den thrakischen Stamm der Geten regierte, der durch seine Tapferkeit und blühende Kultur berühmt war.

Die diesjährige archäologische Saison wurde durch einen weiteren, nicht weniger interessanten Fund gekrönt. Das Team von Professor Diana Gergowa fand in einem der Grabhügel die Überreste eines Kampfwagens aus dem Ende des 4. -Anfang des 3. Jahrhunderts v. u. Z. mit den Skeletten von zwei Pferden, die eingespannt waren. Die Köpfe der Tiere lagen auf Steinkissen. Die Vorderbeine lagen nah am Körper und die hinteren – waren ausgestreckt, so als ob sie ins Jenseits galoppieren würden. Am interessantesten ist aber für die Archäologen die Karosse selbst. Sie hat zwei anstatt der üblichen vier Räder. Sie sind dabei besonders groß und haben einen Durchmesser von 1,2 Meter. Es ist eine leichte und erstaunlich wendige Konstruktion. Die Archäologen haben bisher Kutschen mit vier Rädern aus dieser Zeit in der Nähe der heutigen Städte Streltscha und Wraza gefunden. Aber mit zwei Rädern ist es die einzige bisher in unserem Land bekannte Kutsche aus dieser Epoche. Eine Zeichnung eines solchen Gefährtes gibt es allerdings auf den Wänden des bekannten Grabmahls von Kasanlak. Es wird vermutet, dass solche Zweiradwagen nicht nur im Kampf und Sport, sondern auch für religiöse Zeremonien genutzt wurden.

„Bei den Begräbnissen von thrakischen Herrschern gab es ebenfalls Wettrennen und es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Kutsche mit einem Moment bei diesen Begräbniszeremonien verbunden ist“, erläutert Professor Diana Gergowa. „Der Zweiradwagen galt einst als Symbol des Mondes und sein Fahrer stand für den Mittelsmann, der die Seele des Verstorbenen ins Jenseits führte. Damit stoßen wir zum ersten Mal an eine konkrete Darstellung der Vorstellungen der Antike von Leben und Tod.“

© Foto: Weneta Nikolowa

Eine Zeichnung eines ähnlichen Streitwagens gibt es auf den Wänden des bekannten Grabmahls von Kasanlak.

Die Geten glaubten an die Unsterblichkeit der Seele, die nach dem Tod den Körper verlässt, um mit dem Universum eins zu werden. Diese Vorstellungen stehen voraussichtlich mit der ungewöhnlichen Platzierung der Grabhügel auf dem Plato bei Sweschtari im Zusammenhang. Die Wissenschaftler stellten mit Verwunderung fest, dass sie die Sternbilder Orion, Großer Hund und Schütze wiedergeben. Die alten Thraker haben den Himmel zur Zeit der Tag-und-Nachtgleiche genau beobachtet und die Konfiguration der Sternbilder auf der Erde präzise wiedergegeben. Dann haben sie die markierten Plätze für Zeremonien und Begräbnisse genutzt.

„Diese Menschen hatten einen unglaublichen philosophischen Weitblick, sie waren ausgezeichnete Astronomen und glänzende Mathematiker“, sagt Professor Diana Gergowa mit Bewunderung. „Die Geschichte und geistige Entwicklung der Geten wird mit Pythagoras und Zalmoxis in Verbindung gebracht. Herodot behauptet, dass Zalmoxis - der halbmythische Gott-König und Priester der Geten - Sklave oder Schüler von Pythagoras war oder sogar sein Vorgänger. In diesen Vorstellungen der Griechen von den Geten sehen wir den Faden, der uns zum antiken Wissen unserer Vorfahren auf dem Gebiet der Mathematik, Astronomie, Philosophie und Harmonie zurückführt.“

Auf der Suche nach neuen Fakten zur Kultur und dem Glauben der Geten setzt Professor Diana Gergowa ihre Erforschung des Grabhügels bei Sweschtari fort. Ihr letzter Fund erlaubt einen Blick in eine Zeit, in der die antiken Menschen ihre Herrscher mit prächtigen Feiern und Wagenrennen auf ihren letzten Weg verabschiedeten. Der Grabhügel, in dem der Zweiradwagen gefunden wurde, wurde Opfer schwerer Angriffe von Grabräubern, wovon die Spuren ihrer Traktoren und Bagger zeugen. Trotzdem ist der Fund in einem guten Zustand. Professor Gergowa hofft auch die Überbleibsel des Kutschers zu finden. Sie ist überzeugt, dass weitere Überraschungen auf uns warten.

Übersetzung: Vladimir Daskalov
По публикацията работи: Weneta Nikolowa


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