Unter den wertvollsten antiken Denkmälern in den Ostrhodopen ist zweifelsohne die Villa „Armira“, etwa 2 Kilometer von der Stadt Iwajlowgrad entfernt. Es handelt sich um eine römische Villa, deren Überreste auch heute noch vom einstigen Prunk künden. Die Anlage ist übrigens die besterhaltenste in Bulgarien.
Ihre Geschichte wurde weitestgehend aufgedeckt. Der Bauherr war Nachkomme eines thrakischen Königs und hatte aufgrund von Verdiensten gegenüber dem Römischen Reich die Rechte eines Römischen Bürgers verliehen bekommen. Und so baute er sich in den 50er bis 70er Jahren des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, in einer Zeit, in der Thrakien bereits etwa 20 bis 25 Jahre in römischen Händen war, eine großangelegte zweistöckige Villa auf einer Fläche von rund 1.000 Quadratmetern. Die dazugehörigen Wirtschaftsbauten nehmen noch mal soviel ein. Nach ihrer Errichtung hat die Anlage verschiedene Veränderungen erfahren. 300 Jahre lang erfreute sie ihre Eigentümer bis sie Mitte des 4. Jahrhunderts ausgeplündert und niedergebrannt wurde. Das schwere Erdbeben gegen Ende des gleichen Jahrhunderts zerstörte sie vollends und sie geriet schnell in Vergessenheit. Erst 1964 stieß man zufällig auf sie, als man Ausschachtungsarbeiten für einen Stausee vornahm. Heute ist ein Teil wieder hergestellt und steht geschichts-, kunst- und architekturinteressierten Besuchern offen. Welitschka Tschorbadschiewa, Kuratorin des regionalen Geschichtsmuseums von Iwajlowgrad beschrieb uns die Anlage:
„Im ersten Stockwerk gab es ganze 22 Räume, darunter ein Festsaal, ein Empfangssaal, etliche Aufenthalts- und Schlafräume und natürlich ein Bad – ganz nach römischem Vorbild. Im zweiten Stockwerk befanden sich einst weitere Schlafzimmer, Räume für Frauenarbeiten u.a. Ein Teil der Villa war mit Fußbodenheizung versehen, eine der vielen praktischen Erfindungen der Römer. Villa „Armira“ ist jedoch vor allem mit ihren herrlichen Mosaikfußböden bekannt, die insgesamt rund 400 Quadratmetern einnehmen.“
Sie kennzeichnen die Modetendenzen in den römischen Mosaiken des 1. bis 4. Jahrhunderts. In den Motiven lassen sich aber auch ortsspezifische thrakische Symbole erkennen, wie beispielsweise die Doppelaxt, die ein Machtsymbol war. Das Mosaik im Arbeitszimmer des Hausherrn enthält ausnahmslos thrakische Symbole, darunter beispielsweise der Schild der thrakischen Krieger. Anscheinend legten die Hausherren einen großen Wert nicht nur auf das Aussehen, sondern auch die Bedeutung der Dekoration. Bemerkenswert sind u.a. die Gorgonenhäupter.
„Überall stößt man auf Abbildungen des Haupts der Medusa“, erzählt weiter Welitschka Tschorbadschiewa. „Man könnte es als „Wappen“ der Villa ansehen. Es hatte eine Schutzfunktion und sollte das Böse vom Haus und seinen Bewohnern fernhalten. Ein häufig anzutreffendes Symbol ist auch das Hakenkreuz – das Ursymbol aller Indoeuropäer. Die Swastika ist ein Glückssymbol und als solches finden wir es in den Mosaiken wider. Unter den pflanzlichen Motiven sind ferner Efeu, der typisch für den aus Thrakien stammenden Weingott Dionysos ist. Es sind aber auch Pflanzen abgebildet, wie Lilien und Tulpen, die sicher auch den Garten der Villa zierten.“
Der schönste Schmuck ist jedoch im Atrium zu sehen, der den römischen Gepflogenheiten entsprechend in der Mitte ein Wasserbecken besaß – das sogenannte Impluvium. Die Wandverkleidung ist aus Marmor mit verschiedenen Bildhauerarbeiten, wie Pilasterkapitellen. Hermen, das sind Pfeiler mit einem aufgesetzten Kopf, gehören ebenfalls zu den Schmuckelementen. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die Villa derart prächtig mit Marmor ausgeschmückt ist, denn die Familie befasste sich über ganze vier Jahrhunderte mit Marmorhandel. In der Nähe gab es Steinbrüche, in denen vom ersten bis vierten nachchristlichen Jahrhundert Marmor gebrochen und in verschiedene Teile des Römischen Reiches geliefert wurde. Der hier gewonnene Marmor stand der Qualität nach an vierter Stelle im ganzen Reich.
Unweit der Villa „Armira“ befindet sind einer der größten Grabhügel aus römischer Zeit. Der künstlich aufgeschüttete Erdhaufen besitzt einen Durchmesser von 60 Metern und war im erhaltenen Zustand etwa 20 Meter hoch. In dem Grab selbst wurden die ersten Villenbesitzer beigesetzt.
Die Villa „Armira“ ist nach längeren Rekonstruktionsarbeiten seit zwei Jahren wieder für Besucher zugänglich. Sie gehört zu den 100 nationalen Tourismusobjekten Bulgariens und zieht immer mehr Touristen an. Bis Ende vergangenen Jahres wurden rund 150.000 Besichtigungen verzeichnet. Es lohnt sich tatsächlich, den „Marmorpalast“ im Tal des Flusses Armira, nach dem die Villa selbst in unserer Zeit benannt worden ist, zu besichtigen.
Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow
Fotos: bulgariatravel.org und wikipedia.org
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