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Notarkammer-Chef Katrandschiew: In Bulgarien ist Firmenklau immer noch ein Kinderspiel

Foto: Archiv

Vor etwa einem Jahr öffnete der französische Botschafter in Sofia, Xavier Lapeyre de Cabanes die Büchse der Pandora mit der Behauptung, das bulgarische Gericht legalisiere den Firmenklau. In einem Fernsehinterview erzählte er die Geschichte einer französischen Firma in Bulgarien, deren Geschäft nach einem zweifelhaften Gerichtsprozess in die Hand der Konkurrenz übergegangen sei. Der französische Botschafter sprach von „faulen Äpfeln“ in der bulgarischen Justiz und seitdem ist dieser Begriff aus der Diskussion über die Justizreform in Bulgarien nicht wegzudenken.

Verkaufte Anteile hinter dem Rücken des Firmeninhabers oder angehäufte Schulden aus fiktiven Geschäftsabschlüssen sind nur zwei der zahlreichen Instrumente für den Firmenklau. Der Grund dafür, dass dies so einfach über die Bühne gehen kann, liege in den liberalen Regularien des Handelsregisters, behauptet der Vorsitzende der Notarkammer Bulgariens, Krassimir Katrandschiew.

Jeder, der bestimmte Unterlagen vorlegt, kann Geschäftsführer oder gar Inhaber einer Firma werden, denn es fehlt die Kontrolle“, behauptet Kantardschiew weiter. „Nur wenige der erforderlichen Unterlagen müssen notariell beglaubigt werden. Das wird gern gefälscht und der eigentliche Firmenbesitzer bekommt den Schwindel erst gar nicht mit. Will man eine bestimmte Firma stehlen, dann reicht es aus, einen Antrag für den Handelsregister einzureichen. Die Richtigkeit der Behauptung, wer Inhaber ist, wird nicht überprüft. Eine weitere Möglichkeit ist, die ins Visier genommene Firma durch einen fiktiven Vertrag an einen Strohmann zu verkaufen. In 99 Prozent der Fälle braucht der Vertrag keine notarielle Beglaubigung“, behauptet der Vorsitzende der Notarkammer.

Die Vernetzung des Handelsregisters und der Notarkammer steht unmittelbar bevor. Das wurde erst nach dem Skandal mit der französischen Firma und der entsprechenden Änderung der Regularien möglich. Erst dann wird es möglich sein, die Einträge im Handelsregister auf Echtheit zu prüfen.

Künftig wird der Notar, der den Verkauf von Aktienanteilen beglaubigt, dies im eigenen Register, aber auch im vernetzten Register des neuen, einheitlichen Informationssystems eintragen müssen“, erläutert Kantardschiew. „Zugang zu diesem Register werden alle haben, die einen direkten Bezug zum jeweiligen Geschäftsabschluss haben. Dadurch wird die Überprüfung der Fakten ermöglicht“, glaubt Kantardschiew.

Es werden meistens Firmen geklaut, die einen millionenschweren Umsatz verbuchen, auf dem Markt gut positioniert sind und ein gutes Vertriebsnetz aufgebaut haben. Der Firmenklau ist seit etwa zehn Jahren ein Thema in Bulgarien. Dennoch gibt es kaum Angeklagte, geschweige denn, dass Urteile gesprochen worden sind. Der Grund ist simpel: im Strafgesetzbuch fehlt es an dem entsprechenden Paragrafen! Das soll sich nun ändern, behauptet Justizministerin Ekaterina Zachariewa, die Novellen im Strafgesetzbuch ankündigte. Beim Firmenklau würden dann zwischen zwei und sechs Jahren Freiheitsentzug drohen. „Der Firmenklau ist in Europa unbekannt“, behauptet der Chef der Notarkammer.

Wir haben Experten aus Deutschland und Österreich nach Sofia eingeladen, um über dieses Phänomen zu sprechen. Sie waren sprachlos“, kommentiert Krassimir Kantardschiew. „In Westeuropa, und vermutlich auch in Osteuropa, kennt man ein so liberales System, wie in Bulgarien, nicht. In diesen Ländern wird jede auch so kleine Änderung in den Eigentumsverhältnissen und der Verteilung der Aktienanteile von einem Notar beglaubigt. In Bulgarien darf das jeder, der im Besitz einer elektronischen Signatur ist. Die elektronische Signatur kann zwar schwer manipuliert werden, aber eine solche Identifikation haben mehr als 400.000 Menschen in Bulgarien. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere seine Identität verkauft hat. Heute kommt es sogar vor, dass sich längst verstorbene Menschen per elektronische Signatur ausweisen. Das Problem ist also nicht die elektronische Signatur als solche, sondern der Missbrauch“, sagt Kantardschiew.

Übersetzung: Vessela Vladkova



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