In der Nationalen Kunstgalerie in Sofia öffnete dieser Tage eine Fotoausstellung ihre Tore. Gezeigt werden über 300 Aufnahmen aus dem Nachlass dreier Generationen der berühmten bulgarischen Fotografenfamilie Karastojanoff. Im Verlauf von rund 100 Jahren haben sie die bedeutendsten Persönlichkeiten und Ereignisse in Bulgarien auf Fotoplatten und Zelluloid gebannt.
Partner des Ausstellungsprojekts sind Nelly und Robert Gibson, das Staatsarchiv, die Nationalbibliothek und das Institut für Geschichte der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften.
Kurator der Ausstellung ist der Fotograf Iwo Hadschimischew. Er erzählte uns, warum diese Ausstellung speziell der Fotografenfamilie Karastojanoff gewidmet ist:
„Um das zu erklären, muss man einen Blick in die Geschichte zurückwerfen“, sagt Hadschimischew. „Die Menschen von heute können es sich nur schwer vorstellen, wie es noch vor rund 150 Jahren um die Fotografie bestellt war, als sie noch in den Zeiten der osmanischen Fremdherrschaft in Bulgarien Einzug hielt. Wenn man die frühesten Aufnahmen bulgarischer Fotografen mit zeitgleichen Fotos aus den entwickelten Ländern, wie den USA, England oder Frankreich vergleicht, muss man feststellen, dass sie qualitativ in keiner Weise zurückstehen. Ein Unterschied besteht lediglich in den dargestellten Personen. Die Karastojanoffs haben in den Anfangsjahren hauptsächlich bulgarische Freiheitskämpfer fotografiert. Der erste Karastojanoff, der sich mit Fotografie beschäftigt hat, war Anastas. Er entstammt einer Druckerfamilie aus der aufgeweckten westbulgarischen Stadt Samokow. Sein Vater Nikola gilt als der erste Drucker in Bulgarien und als einer der ersten Verleger bulgarischer Literatur.“
Wie sind die Karastojanoffs zur Fotografie gekommen? War es ihre freie Entscheidung oder mehr eine Schicksalsfügung?
„Für den ersten Fotografen unter den Karastojanoffs war es eine Schicksalsfügung“, antwortet Iwo Hadschimischew. „Der junge Anastas wurde von seinem Vater nach Belgrad geschickt, um für die Druckerei einen neuen Bleisatz zu kaufen. Das Schicksal wollte es und das Gepäck mit den metallenen Lettern ging während eines Aufruhrs gegen die türkische Garnison in der Stadt verloren. Da machte Anastas Karastojanoff die Bekanntschaft eines Landsmanns, der als Kammerherr des serbischen Fürsten Obrenović arbeitete. Er eröffnete dem jungen Anastas die Welt der Fotografie. Anastas fand sich sehr schnell zurecht, denn in der Druckerei seines Vaters wurden auch Holz- und Kupferstiche zur Illustration der herausgegebenen Bücher angefertigt. Der junge Karastojanoff besaß eine künstlerische Ader und entsprechende Erfahrungen in der Bildkomposition und so eröffneten beide ein gemeinsames Fotoatelier, in dem sich die bulgarischen Revolutionäre fotografieren ließen, die sich in Belgrad aufhielten.“
Die Karastojanoffs sind heute vor allem damit bekannt, dass sie historische Ereignisse festgehalten haben.
„Die Erforscher der Geschichte der Fotografie sind sich einig, dass Anastas die ersten Fotoreportagen auf der Balkanhalbinsel gemacht hat“, bestätigt Iwo Hadschimischew. „Als es in Belgrad zu einer Manifestation anlässlich des 50. Jahrestages seit der ersten serbischen Erhebung gegen die osmanische Fremdherrschaft kam, holte Anastas Karastojanoff den Fotoapparat aus dem Studio und begann zu fotografieren. Dann fotografierte er die Festung von Belgrad; das war 1862. Wir können uns heutzutage nur schwer ein Bild von der damaligen Atmosphäre machen. Als der Russisch-türkische Krieg von 1877/78 ausbrach, hielten Anastas und sein ältester Sohn Iwan alle Militärhandlungen fest. Leider sind all diese Aufnahmen verlorengegangen, weil in den Zeiten des Zweiten Weltkrieges das damalige Sofioter Atelier von Iwan Karastojanoff bei den Bombenabwürfen zerstört wurde.“
Die Traditionen setzten die beiden Söhne Bogdan (genannt Bontscho) und Boschidar des jüngeren Bruders von Iwan – Dimitar, fort. Mittlerweile hatte die Filmkunst Einzug gehalten.
„Die Karastojanoffs waren ausgesprochen gebildete Menschen“, erzählt weiter Iwo Hadschimischew. „Sie haben die fortschrittlichsten Lehreinrichtungen in Deutschland und Frankreich besucht. Bontscho und Boschidar konnten sehr gut auch mit der Filmkamera umgehen. In den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben sie bedeutende Ereignisse in und um Bulgarien gefilmt, darunter den Gebietsanschluss der Süd-Dobrudscha. Etliche ihrer Streifen werden in der Nationalen Filmothek aufbewahrt. Bontscho unternahm Ende der 30er Jahre einige Versuche auf dem Gebiet des Spielfilms. Er schuf auch einige Dokumentarfilme. Nach 1944 drehte er als Kameramann die ersten Spielfilme. Dank seines Könnens und seiner Erfahrungen bildete er an der Fachschule für Kinematografie die ersten Filmemacher Bulgariens aus. Er ist in unsere Geschichte als einer der Pioniere der bulgarischen Leinwandkunst eingegangen... Die Karastojanoffs sind eine Familie, die im Verlauf von über 100 Jahren innerhalb des visuellen historischen Gedächtnisses Bulgariens Enormes geleistet hat.“
Boschidar Karastojanoff, der als Kunst-Fotograf berühmt war, war der einzige, der 1930 die Hochzeit des bulgarischen Monarchen Zar Boris III. und der Prinzessin Giovanna von Savoyen aufnehmen durfte.
„Sein Schicksal ist überaus interessant”, setzt Iwo Hadschimischew fort. „Nach dem Machtantritt der Kommunisten in Bulgarien am 9. September 1944 wurde er gezwungen, die Hauptstadt Sofia zu verlassen. Vor und während des Zweiten Weltkrieges besaß die bulgarische Nachrichtenagentur BTA keine eigene fotographische Abteilung. Nachdem Bulgarien dem Dreimächtepakt beitrat, schickte die Nachrichtenagentur des Dritten Reiches das entsprechende Material nach Bulgarien, um seine militärischen Erfolge zu propagieren. Die Negative wurden im Atelier von Boschidar Karastojanoff für die bulgarischen Medien weiterverarbeitet. Das nahm ihm dann die neue Macht in Bulgarien übel. Sein Bruder Bontscho hingegen durfte ungestört einige Spielfilme drehen.“
Der Kurator der Ausstellung über die Karastojanoffs, Iwo Hadschimischew, teilte uns im Gespräch ferner mit, dass die Enkeltochter von Boschidar Karastojanoff, Biljana, erfolgreich in die Fußstapfen ihrer berühmten Vorfahren tritt. Im Rahmen des Ausstellungsprojekts hat sie speziell einen Dokumentarfilm über sie gedreht.
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: bereitgestellt von Biljana Karastojanoff
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