Im Monat Mai, vor 141 Jahren betraten 205 junge Bulgaren das bulgarische Donauufer bei Kosloduj - getrieben vom Freiheitsbestreben und dem innigsten Wunsch, der seit rund 500 Jahren unterjochten Heimat zu helfen. Anführer der Schar war der 28jährige Revolutionär und Schriftsteller Christo Botew. „Die Idee der Freiheit ist allmächtig und die Liebe zu ihr kann alles vollbringen“, ist er überzeugt.
Am 20. April des Jahres 1876 war in Bulgarien ein Aufstand ausgebrochen, der als Aprilaufstand in die Geschichte eingegangen ist. Der Idealismus und der Heldenmut der Aufständischen, wie auch ihre Opferbereitschaft grenzten ans Fantastische.
Um dem kämpfenden Volk zu Hilfe zu eilen, organisierte Christo Botew eine große Freischar in Rumänien, die er nach einem genau ausgearbeiteten Plan, als Gärtner getarnt, das österreichische Schiff “Radetzky” besteigen ließ, worauf er den Kapitän zwang, am bulgarischen Donauufer beim Dorf Kosloduj anzulegen. Von dort führte er sie in einem Marsch in Richtung Wratza im heutigen Nordwestbulgarien. Seine Freischärler hatten heftige Gefechte mit den Türken und erlitten große Verluste. Am 1. Juni musste bei den erbitterten Kämpfen im Gebirge in der Nähe von Wratza auch Botew sein Leben lassen.
Die Geschichte der Freischar Botews gehört zu den beeindruckenden Seiten des Aprilaufstandes, der den Gipfel des Kampfes der Bulgaren gegen das Osmanische Reich darstellt. Die Grausamkeit der Niederschlagung des Aufstandes und der sich rächenden Türken spottete jeder Beschreibung. Insgesamt fielen bei der Zerschlagung des Aufstandes und danach über 30.000 Bulgaren. Obwohl der Aprilaufstand scheiterte, machte er die europäischen Staaten auf die missliche Lage der Bulgaren aufmerksam, die nach Befreiung strebten. Die “Bulgarische Frage” kam ins Gespräch und verlangte nach einer Lösung. Dem Aufstand folgte die Einmischung von außen - Russland entschied sich für einen erneuten Krieg gegen das Osmanische Reich. Der russisch-türkische Krieg von 1877/78 war in den Augen der Bulgaren von Anfang an ein Befreiungskrieg. Diese Meinung war durchaus nicht unbegründet, denn in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren auch in Serbien und Griechenland, damals noch türkisch, Aufstände ausgebrochen, die erst nach der Einmischung Russlands erfolgreich waren. Im Ergebnis des russisch-türkischen Krieges von 1828/29 erhielten beide Länder Autonomierechte und wenig später wurde Griechenland ein unabhängiger Staat. Damit war der Aprilaufstand in Bulgarien kein hoffnungsloses Ereignis gewesen.
Christo Botew gehört heute zu den beliebtesten Nationalhelden Bulgariens. Sein literarisches Werk, dem Umfang nach eher bescheiden, nach Rang und Popularität jedoch einer der Höhepunkte bulgarischer Nationalkultur und bis auf den heutigen Tag lebendiger Besitz seines Volkes. Seit dem Jahre 1901 wird ihm und der für die Freiheit Bulgariens Gefallenen am 2. Juni gedacht. Seit 1948 ertönen an diesem Tag genau um 12.00 Uhr Ortszeit im ganzen Land die Sirenen, die zu einer Schweigeminute auffordern. Seit nunmehr 71 Jahren begab sich auch in diesem Jahr eine Gruppe Enthusiasten auf den Pfaden der Freischar Christo Botews – von Kosloduj bis zum 120 Kilometer entfernten Gipfel Okoltschitza, dem Ort, an dem Botew fiel. Eine Nachstellung der letzten Kämpfe, organisiert von der Nationalen Vereinigung „Tradition“, hält ihrerseits die Erinnerungen an den Opfertod von Christo Botew und seiner Freischar wach.
Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow
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