Zum 11. Mal öffnete das Nationale Archäologische Museum am Institut für Archäologie der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften seine Tore für seine Jahresausstellung „Bulgarische Archäologie 2017“. Die Exposition zeigt die interessantesten Funde, auf die die Archäologen bei ihren Grabungen des letzten Jahres gestoßen sind. Die Ausstellung wurde anlässlich des 14. Februar, dem Tag der Archäologie, eröffnet. Gezeigt werden 340 Exponate, die zusammen mit 22 Postern die Arbeiten an 50 Ausgrabungsorten verdeutlichen.
„Das ist die vielleicht reichste und vielfältigste Ausstellung, die wir gestaltet haben; sie umfasst einen Zeitraum vom mittleren bzw. späten Paläolithikum bis zum Spätmittelalter“, sagte der Archäologe Dr. Kamen Bojadschiew auf der traditionellen Pressekonferenz unmittelbar vor der Ausstellungseröffnung. Unter den ältesten Artefakten sind Keramikgegenstände aus dem Dorf Damjanitza in Südwestbulgarien; sie werden in das 6. Jahrtausend vor Christus datiert. Einige Stücke sind zwar älter, doch die Funde aus Damjanitza verdeutlichen das handwerkliche und künstlerische Können der damaligen Epoche.
Die Antike ist wie bei jeder Ausstellung würdig vertreten. Die Besucher können verschiedene Gegenstände bewundern, die in der griechischen Kolonie Apollonia Pontica, dem heutigen Sosopol an der südlichen bulgarischen Schwarzmeerküste ans Tageslicht gekommen sind. Auch aus römischer Zeit sind Exponate zu sehen, die aus Serdika und Philippopolis, den heutigen Städten Sofia und Plowdiw, stammen. Während 2016 die Archäologen vor allem auf bemerkenswerte Goldgegenstände gestoßen waren, wurden sie im vergangenen Jahr in den Schichten des bulgarischen Mittelalters – 10. bis 14. Jh. fündig.
„Im vergangenen Jahr sprachen wir von unserem „goldenen“ Jahr 2016. Das vergangene Ausgrabungsjahr war vielleicht nicht so „goldig“, hat aber eine Vielfalt an Gegenständen gebracht“, erzählt weiter Dr. Bojadschiew. „Ich muss zugeben, dass ich zum ersten Mal einige Gegenstände in einem solch guten Erhaltungszustand gesehen habe, wie beispielsweise die silberne Flöte aus Debelt und einen Fackelhalter aus Pliska.
Es gibt auch weitere höchst interessante Objekte, denen man jedoch mehr Aufmerksamkeit widmen muss. Einige auf den ersten Blick unansehnliche Gegenstände, sind im Grunde genommen ausgesprochen interessant. Nennen will ich den Hort an anthropomorphen Tonfiguren aus Damjanitza, die aus dem 6. bis 5. Jahrtausend vor Christus stammen. Erwähnen will ich auch die Ikone aus Trapesitza mit ihrem erhaltenen Schmuck... Einer der interessantesten Funde ist die Gürtelschnalle aus Nephrit, die bei den Ausgrabungsarbeiten in Kaliakra entdeckt wurde. Sie besticht mit der überaus feinen Bearbeitung des Schmucksteins und stellt etliche Fragen über ihre Herkunft. Wie ist sie in die Gegend der heutigen Stadt Warna gelangt?“
Die besagte Gürtelschnalle ist in der Zeit der Dynastie Yuan (1279-1368) in China angefertigt worden und belegt, dass im 14. Jahrhundert die bulgarischen Gebiete Handelsbeziehungen zu den fernöstlichen Zivilisationen unterhielten. Die Jagdszene weist einen starken mongolischen Einfluss auf. Derartige Gürtelschnallen dienten als Grabbeigaben verdienter Krieger und wurden vor allem in Gräbern der Aristokratie der Yuan-Dynastie entdeckt. Kaliakra war die Hauptstadt des Dobrudscha-Despotats – ein bulgarischer Teilstaat des 14. Jh.s in Nordostbulgarien. Das Teilfürstentum unterhielt eine große Kampf- und Handelsflotte sowie ausgedehnte Handelsbeziehungen, die offensichtlich bis in den Fernen Osten reichten.
Der Direktor des Instituts für Archäologie und des Nationalen Archäologischen Museums der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften, Dozent Dr. Ljudmil Wagalinski, wies in seinen Ausführungen zur Ausstellungseröffnung auf einige ernsthafte Probleme der bulgarischen und insgesamt der europäischen Archäologie hin. Die Rede ist von der Einführung von privaten Vereinigungen für archäologische Forschungen. Laut dem bestehenden bulgarischen Gesetz können sich mit einer solchen Tätigkeit nur staatliche Institutionen befassen. Es werde jedoch Druck ausgeübt, diese Tätigkeit auch nichtstaatlichen, sprich regierungsunabhängigen Organisationen zu erlauben. Laut Dr. Wagalinski habe in einigen europäischen Ländern der Wechsel des bestehenden Modells und die Bevollmächtigung privater Archäologen zu negativen Ergebnissen geführt. In Bulgarien ist die Sachlage zusätzlich durch die unzähligen Raubgrabungen erschwert:
„Es gibt kein Land in Europa und wohl auch in der Welt, in dem es 30.000 aktiv tätige Schatzsucher gibt, was in Bulgarien der Fall ist“, unterstreicht der Archäologe. „Dabei ist diese Zahl stark herabgesetzt; in Wirklichkeit sind es viel mehr, die alle systematisch an die Arbeit gehen. Sie ernähren sich von dieser Tätigkeit und haben auf hoher Ebene, einschließlich internationaler, ihren Dealer. Diese Information haben mir die Behörden mitgeteilt, die sich mit dieser Art Kriminalität befassen. Es fehlt den Schatzsuchern jedoch an Ressourcen und sie sind gieriger denn je. Nun will man die Raubgrabungen legitimieren, indem die Archäologie privatisiert werden soll. Das könnte das archäologische Erbe völlig vernichten, auf das wir sonst so stolz sind.“
Unabhängig dieser gravierenden Probleme setzen die bulgarischen Archäologen beflissen ihre Arbeit fort. „Das System funktioniert“, versicherte Dr. Wagalinski. Das nächste interessante Projekt des Nationalen Archäologischen Museums am Institut für Archäologie ist die Ausstellung „Der Sport im antiken Thrakien“, die am 1. April eröffnet werden soll.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Nationales Archäologisches Museum
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