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Regierung will Viehzucht ankurbeln

Foto: BGNES
Bulgarien liegt klimatisch günstig, besitzt fruchtbare Böden und reiche landwirtschaftliche Traditionen, unser Obst und Gemüse ist schmackhaft und zudem haben wir etliche einheimische Sorten. Alles müsste eigentlich glänzend sein, ist es aber leider nicht.

Der erste große Schlag wurde der bulgarischen Landwirtschaft in den Zeiten des Sozialismus versetzt, als alles zwangskollektivisiert und industrialisiert wurde. Es kam zur Landflucht, aus den Bauern wurden Industriearbeiter. Ackerbau und Viehzucht wurden neu organisiert. Gerade brachte die mechanisierte und groß aufgezogene Landwirtschaft Früchte, als die nächste gravierende Veränderung eintrat: mit der Wende zur Demokratie von 1989 erlitt der Zweig einen weiteren harten Schlag, als die Genossenschaften wieder aufgelöst und das Ackerlands und die Tiere den Alteigentümer, bzw. deren Erben zurückerstattet wurden. Die meisten von ihnen hatten aber nichts mehr mit Landwirtschaft im Sinn – die meisten Tiere wurden geschlachtet, während große Teile an Grund und Boden unbearbeitet blieben. Jene, die sich doch der Herausforderung stellten, verfügten nicht um ausreichend finanzielle Mittel, um modern Ackerbau und Viehzucht zu betreiben.

Mit dem Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union vor vier Jahren eröffneten sich jedoch neue Chancen für die heruntergekommene bulgarische Landwirtschaft. Der Zweig wurde subventioniert, auch wenn die Mittel lediglich 40 Prozent dessen betragen, was den alten EU-Ländern gewährt wird. Dennoch geht es sichtbar aufwärts. Selbst im vergangenen Jahr, das von der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise überschattet wurde, konnte die Landwirtschaft als einziger Volkswirtschafszweig ein positives Exportsaldo erzielen und verzeichnete einen Produktionsanstieg von drei Prozent. Das ist allerdings vor allem der Kornproduktion zu verdanken – Obst- und Gemüseproduktion sowie Viehzucht fristen weiterhin ein kärgliches Dasein. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass massenweise Obst, Gemüse und Fleisch einführt werden. Diese Lage ist für die meisten Bulgaren unverständlich, die sich noch an die Zeiten erinnern, als Bulgarien ein bedeutender Exporteur landwirtschaftlicher Erzeugnisse war.

Zu Beginn dieser Woche fanden sich Viehzüchter zu einem Protest in Sofia ein. Der Anstieg der Futtermittelpreise, des Stroms und der Brennstoffe mache die Tierhaltung immer schwieriger – Tiere werden notgeschlachtet, dafür steigt der Import. Allein im vergangenen Jahr sei die Milcheinfuhr um ganze 60 Prozent gestiegen; Fleisch werde sogar aus Lateinamerika importiert – tiefgefroren. In diesem Zusammenhang verwiesen die Fleischproduzenten auch auf folgendes: in ihrem Willen, die Qualität der Fleischprodukte zu erhöhen, hatte die Regierung einen neuen Standard verabschiedet, was an sich zu begrüßen ist. Die Qualitätsmarke „Stara Planina“ kann jedoch nur wenigen Produkten verliehen werden, denn es besteht die Anforderung, dass die Erzeugnisse nicht aus tiefgefrorenem Fleisch, sondern aus frischem hergestellt werden müssen, dessen Mengen aber für die Industrieproduktion nicht reichen.

Landwirtschaftsminister Miroslaw Najdenow ist der Meinung, dass die Viehzucht ein Zweig mit Zukunft sei, da in der Europäischen Union und überhaupt weltweit ein Fleischmangel zu bemerken sei. Er versprach die Viehzucht zu einer Priorität in der Landwirtschaftspolitik zu machen. Auf der Landwirtschaftsmesse in der südbulgarischen Stadt Plowdiw informierte Minister Najdenow, dass die Zuschüsse für die Tierhaltung in diesem Jahr 60 Millionen Euro betragen werden, 50 Prozent mehr als in beiden Vorjahren. Die Viehzüchter sollen ferner auch Gemeindeland erhalten, das zu Weidezwecken und zum Anbau von Futtermitteln genutzt werden soll. Die Landwirte wollen aber mehr: Sie verlangen eine Erlassung der Gewinnsteuer solange sich die Tierhaltung in der Krise befindet und weitere staatliche Hilfen. Das Ministerium für Landwirtschaft und Nahrungsgüterindustrie kündigte seinerseits an, es werde einen Konsultationsrat zu Fragen der Viehzucht bilden, an dessen Arbeit sich auch Vertreter der Viehzuchtvereinigungen beteiligen sollen.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
По публикацията работи: Maria Dimitrowa


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