Die Bildung einer stabilen Regierung in Bulgarien nach der Neuwahl am 5. Oktober war trotz des fragmentierten Parlaments erforderlich vor allem wegen des Risikos des Verlustes von europäischen Mitteln. Über 70 Prozent der Investitionen bei uns werden aus den europäischen Fonds finanziert. Bulgarien muss bis Ende 2015 rund 11 Milliarden Euro aus dem Zeitraum 2007-2013 nutzen, weitere 16 Milliarden Euro werden von der neuen Periode 2014-2020 erwartet. Wie ist die gegenwärtige Lage? Der für die europäischen Fonds zuständige stellvertretende Premierminister in der neuen Regierung Borissow, Tomislaw Dontschew, sagte, dass der Kampf um jeden Cent sein wichtigstes Motiv dafür sei, den schweren Posten erneut zu übernehmen.
„Die Wahrheit ist, dass die Gesamtlage mit den Eurofonds sehr schwer ist. Die Mittel nach einem der operationellen Programme sind eingefroren; ein Problem ist die Bezahlung von finanziellen Korrekturen, der Beginn der neuen Programmperiode verzögert sich. Das System ist zerschlagen. Wenn ein System aus wenigen Gliedern nicht wie ein gut geölter Mechanismus arbeitet, beginnt das Geld sich langsam zu bewegen oder hört ganz auf. So ist die Lage gegenwärtig“, behauptet Tomislaw Dontschew. „Es gibt auch größere Probleme. Wegen der Dramen beim Programm „Umwelt“ ist die Motivation der kommunalen Behörden, von denen ein Teil keine Zahlungen für die Projekte fast ein halbes Jahr hatte, sehr niedrig. Das wirkt sich auf das Tempo der Zahlungen aus. Gerade deswegen sind wir in dieser komplizierten Situation mit dem Risiko des Verlustes von EU-Geldern. Das gefährlichste aber ist, falls die Bürgermeister und Gemeindebehörden keine Sicherheit und Stabilität finden, falls kein kategorisches Signal dafür ausgesandt wird, was die Politik des Staates von nun an sein wird. Dann werden diese nicht motiviert zu investieren, besonders bei komplizierten und konfliktbeladenen Projekten, wie zum Beispiel die Rehabilitation der Wasserversorgung und Kanalisation. Deswegen ist es eine bevorzugte Verpflichtung des Staates, ein Vertrauensverhältnis mit der Europäischen Kommission und mit den Nutznießern, die die Projekte verwirklichen, herzustellen. Ohne Klarheit, Ruhe, Dialog und partnerschaftliches Verhältnis können wir keinen normalen Start und effektive Arbeit in der neuen Programmperiode erwarten. Deswegen ist diese Aufgabe an erster Stelle unter meinen Prioritäten.“
Erwarten Sie Einbrüche beim Abruf des EU-Gelder wegen des komplizierten Mehr-Parteien-Charakters des neuen Kabinetts von Bojko Borissow?
„Es ist eine Tatsache, dass dieses Kabinett schwer gebildet wurde, nach langen Verhandlungen und Kompromissen der politischen Parteien. Ich kenne das als Teilnehmer des Prozesses. Die gute Nachricht bisher ist, dass Bulgarien eine offiziell arbeitende Regierung mit einem arbeitenden Parlament hat, das im Stande ist, langfristige politische Entscheidungen zu treffen. Dass europäische Geld hat keine politische Farbe. Hier gibt es kaum eine ideologische Links-rechts-Differenzierung. Denn das Geld ist für alle bulgarischen Gemeinden, für alle Unternehmer, die den Voraussetzungen entsprechen. Ich hoffe, dass das Kabinett sein volles Mandat arbeiten wird. Denn nur so sind Politik und Reformen mit einem Horizont von 4 Jahren möglich.“
Wird Bulgarien wieder nach vorne gehen können?
„Das hängt von uns ab. Wir sollten aufhören zu denken, dass eine solche Entwicklung der Lage das Ergebnis einer fremden Wohltat oder Unterstützung sein kann. Unsere Pflicht ist es, uns selbst zu helfen und die europäische Finanzierung bis zum letzten Cent zu nutzen. Denn sie ist das große Instrument für Reformen und die Modernisierung des Landes. Aber dafür sind auch unsere Bemühungen notwendig. Die Geschichte Bulgariens der letzten 100 Jahre zeigt, dass unser Land einen Fortschritt nur dann verzeichnet hat, wenn ein großer Teil der Bevölkerung – die Arbeiter, und die Unternehmer, und die Intellektuellen, und die Politiker eine gemeinsame vereinende Richtung finden konnten. Die Aufgabe heute ist, dass die Menschen und dann die Politiker das finden, was uns vereint – die Ziele, die zweifellos sind und die alle dazu bewegen können, in diese Richtung zu gehen. Genau das ist es – jenseits aller Reformen und Schritte im öffentlichen Sektor und in der Wirtschaft gemacht werden müssen – die vereinten Bemühungen, die Technologie der Vereinigung ist die Formel des Erfolges und des Wachstums.“
Übersetzung: Vladimir Daskalov
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