Noch bis vor kurzem gab man auf höchster Brüsseler Ebene zu verstehen, dass das Interesse am Projekt „South Stream“ gering sei und man seiner Verwirklichung sogar eher abgeneigt gegenüberstehe. Als Russlands Staatschef Wladimir Putin unerwartet den Stopp des Vorhabens ankündigte und dafür Bulgarien die Schuld in die Schuhe schob, wurde man sich in Brüssel bewusst, dass der Leidtragende der geopolitischen Kontroverse mit Moskau im Endeffekt Bulgarien ist – das ärmste Land der Europäischen Union.
Im South-Stream-Projekt, das russisches Erdgas am Zankapfel Ukraine vorbei nach Bulgarien und von da nach Mittel- und Westeuropa bringen sollte, sah man in Bulgarien nicht unbegründet ein Huhn, das goldene Eier legt. Allein die Transitgebühren für die Beförderung liegen in Millionenhöhe. Der zum zweiten Mal gewählte Premierminister Bulgariens Bojko Borissow sah sich genötigt, als erstes nach Brüssel zu reisen, um die Dinge mit den europäischen Partner klar zu stellen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker persönlich beschwichtigte Borissow und betonte, dass Bulgarien nicht allein sei – die Europäische Union lehne den Erpressungsversuch Russlands ab, stelle sich voll hinter Bulgarien und werde konkrete Schritte in Unterstützung der Entwicklung des Landes unternehmen, um eine Erhöhung des Lebensstandards der Bürger zu bewirken. Das waren recht großzügige Versprechen, die aber keineswegs unangebracht sind, da Bulgarien beim South-Stream-Projekt stets die Einhaltung der europäischen Auflagen und konkret des Dritten Energiepakets gefordert hatte. Bulgarien muss für seine Loyalität gegenüber Brüssel und seine Standfestigkeit irgendwie entschädigt werden! In Brüssel selbst ist man der Ansicht, dass nicht alles verloren sei und das Projekt dennoch verwirklicht werden könne. Doch das hänge wiederum von Moskau ab, das sich Erpressungsversuche verkneifen sollte und sich an die europäische Gesetzgebung halten muss, die auch auf bulgarischen Boden gültig ist.
Die moralische Unterstützung für Bulgarien und die zugesagten höheren Finanzhilfen klangen sehr gut in den Ohren der bulgarischen Delegation, zumal die Tat auf dem Fuß folgte: in wenigen Tagen sollen die eingefrorenen Mittel der operationellen Programme für Umwelt und Regionalentwicklung wieder fließen. Auch sagte man von höchster Ebene eine tatkräftige Unterstützung für den Beitritt Bulgariens zum Schengener Raum zu. Außer EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zeigten sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk überzeugt, dass Bulgarien voll dazu bereit sei. Auch solle die Kontrolle in Justiz und Inneres in wenigen Jahren entfallen.
Und so haben Bojko Borissow und die ihn begleitende Delegation guten Grund zufrieden über die Gespräche in Brüssel zu sein.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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