Während einer Dringlichkeitssitzung am ersten Arbeitstag im neuen Jahr hat Vizepremierin Meglena Kunewa, die für die Schlüsselministerien zuständig ist, mit den Ministern für innere Angelegenheiten, Verteidigung, Justiz, regionale Entwicklung und Landwirtschaft brisante Probleme im Zusammenhang mit den Flüchtlingen besprochen. Brisante und derart komplizierte Probleme, dass die unaufschiebbaren Beschlüsse verschoben wurden und zwei Arbeitsgruppen damit beauftrag wurden, sie eingehend zu klären. Die Dringlichkeit, mit der die Regierung die Flüchtlingsproblematik angeht, zeugt von starker Besorgnis und dafür gibt es auch allen Grund.
Der Innenminister hat um die Jahreswende für Überraschung gesorgt, als er zu verstehen gab, dass sein Ministerium außerstande sei, der Flüchtlingswelle im Alleingang zu begegnen. Da zahlreiche Polizisten an die Grenze delegiert wurden, um der Grenzpolizei Unterstützung zu leisten, verfügt die Polizei nicht über ausreichend Kapazitäten zur Bekämpfung der Kriminalität im Landesinneren. Deshalb müsse sich die Armee ebenfalls damit engagieren, der Flüchtlingswelle entgegenzuwirken. Laut Gesetz ist die Armee nur zu Kriegszeiten für die Bewachung der Grenze zuständig, hielt Verteidigungsminister Nentschew berechtigterweise entgegen. Somit wurden wir Zeuge von Kontroversen, mangelnder Koordination und zwei Schlüsselministerien, die die Verantwortung aufeinander abwälzen.
Kontroversen zu Zeiten, in denen wir mit einer neuen Flüchtlingswelle im Frühjahr rechnen und das sowohl aus östlicher als auch aus westlicher Richtung, da mehrere EU-Staaten beabsichtigen, ca. 7.000 illegal eingereiste Flüchtlinge wieder nach Bulgarien abzuschieben. Kraft des Dubliner Übereinkommens muss Bulgarien als erstes EU-Land, in dem die Flüchtlinge registriert wurden, sie wieder aufnehmen. Allerdings mutet es etwas seltsam an, dass Länder, die einem anderen Land mangelnde Gastfreundschaft den Flüchtlingen gegenüber vorwerfen, sich selbst weigern, diese Flüchtlinge aufzunehmen. Ergo sollen Flüchtlinge nur in den Ländern an der EU-Außengrenze willkommen sein, zu denen auch Bulgarien gehört.
Die Teilnehmer an der Dringlichkeitssitzung haben beschlossen, den Forderungen von Menschenrechtlern, den Bau des Drahtzauns längst der Grenze zur Türkei einzustellen, nicht nachzukommen. Unklar ist jedoch, wer diesen Zaun bauen soll und wie viel das kosten wird.
Die Minister wollen innerhalb von zwei Wochen einen Aktionsplan zur Begegnung der anstehenden Flüchtlingswelle in Richtung Bulgarien erhalten. Binnen dieser Frist könnte man entscheiden, neue Flüchtlingsaufnahmezentren einzurichten. Dafür könnte das Verteidigungsministerium Gelände und Gebäude zur Verfügung stellen, die es nicht benötigt. Wer wird jedoch für ihre Sanierung aufkommen und sie auch umsetzen, ist ebenfalls unklar.
Unsere Politiker wollen einen dynamischeren Austausch mit der Europäischen Kommission, damit die Verantwortung innerhalb der EU ausbalanciert wird und die Flüchtlingslast nicht allein auf die südlichen Länder abgewälzt wird. Schließlich handelt es sich um ein gemeinsames Problem der EU und es sollte gemeinsam eine Lösung herbeigeführt werden, sagte Vizepremierin Kunewa. Ähnlich sahen das auch Vertreter ihrer Vorgängerregierung, doch bislang gibt es in Brüssel keine Reaktion auf ihre Appelle. Bulgarien fordert auch die Unterzeichnung eines trilateralen Abkommens über gemeinsame Maßnahmen mit Griechenland und der Türkei. Obwohl die frühere Regierung ein solches Projekt ausgearbeitet hat, scheint man weiterhin nach dem Prinzip „Rette sich wer kann“ vorzugehen. Zumindest bislang.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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