Am 7. September 1978 wurde in London der bulgarische Schriftsteller und Dissident Georgi Markow ermordet. 36 Jahre später, im November 2014, enthüllten drei bulgarischen Staatspräsidenten – der amtierende und seine beiden Vorgänger – sein Denkmal in Sofia. Wer war eigentlich Georgi Markow? Und wie wurde aus einem angesehenen Schriftsteller, Dramatiker und Drehbuchautor ein unbequemer Journalist, der als Emigrant in Großbritannien eine so scharfe und unversöhnliche Kritik am kommunistischen Regime in Bulgarien und der persönlichen Macht von Todor Schiwkow übte, dass sie sich gezwungen sahen, ihn zu ermorden?
Georgi Markow war einer der Drehbuchautoren der seinerzeit sehr beliebten TV-Serie "An jedem Kilometer", in der auf heroische und romantisierende Weise der Widerstand gegen den Faschismus in Bulgarien und die Arbeit der bulgarischen Geheimdienste vorgestellt wurde – etwa vergleichbar mit der DDR-Serie "Das unsichtbare Visier". Und derselbe Mann, der mit den Hauptpersonen des Regimes persönlich gut bekannt war, der viele Privilegien der von der kommunistischen Partei und der Regierung umworbenen "künstlerischen Intelligenz" genoss, gab plötzlich alle Vorteile auf und weigerte sich, in der Parallelwelt einer sozialistischen Utopie zu leben. 1969 verließ er das Land. Er ging nach Italien, zu seinem Bruder, und zwei Jahre später ließ er sich in London nieder, wo er begann, in der bulgarischen Redaktion der BBC zu arbeiten. Sein Traum war jedoch, sich dort auch als Schriftsteller und Dramatiker zu etablieren. Das geschah wirklich im Jahr 1974, als sein Werk "Erzengel Michael" einen Preis beim Festival in Edinburgh gewann. Er begann auch, einen Roman über seine Erlebnisse im Ausland zu schreiben, kehrte aber schnell zum Leben in Bulgarien als Thema zurück, von dem er nur physisch, aber nicht geistig getrennt war. So erschienen seine "Reportagen aus der Ferne. Augenzeugenberichte aus Nachkriegs-Bulgarien", die zuerst im Radio "Freies Europa" gesendet und später als Buch herausgegeben wurden.
Sie sind eine Art Enzyklopädie einer Epoche, aber auch eine tiefsinnige psychologische Studie des Volkes und eine objektive historische und politische Analyse. Zweta Trifonowa, die sein Leben und sein Werk studierte, sagte: "Georgi Markow gehört zur intellektuellen Elite Europas, weil er sich über alle Ideologien und Systemen erhob - als echter europäischer Humanist mit einem unruhigen Gewissen, der sich für die moralischen Werte der Demokratie, für die Zukunft und für den Menschen verantwortlich fühlt..."
Georgi Markow sagte selbst über sich, dass er zwischen dem Wunsch, "alles, was vorher war - ob gut oder schlecht - zu vergessen" und "dem schwer zurückzuhaltenden Impuls des Menschen, alles bis zum Schluss auszusprechen" hin und her gerissen ist. Zum Grund, die "Reportagen aus der Ferne" zu schreiben, sagte er: "Das ist der Wunsch, der mir befiehlt, mein Bulgarien nicht jenen zufälligen Leuten zu überlassen, die zufällig dort geboren sind, zufällig da leben und auch zufällig wieder verschwinden werden, weil sie dieses Land weder kennen, noch lieben oder sich darum kümmern, weil sie blinde und einfältige Diener eines fremden Landes und eines fremden Willens sind. Dieser Wunsch beschwört mich, alles zu erzählen, wie es war."
Im Tonarchiv des Bulgarischen nationalen Rundfunks wird einer der "Reportagen aus der Ferne" von Georgi Markow aufbewahrt. Er ist seinen Schriftstellerkollegen gewidmet, jenen ehrlichen und begabten Leuten wie Konstantin Pawlow und Radoj Ralin, die sich in ihrer kunstvollen Kritik so sehr von den vom Regime gehätschelten systemtreuen Literaten unterschieden, die großzügig mit Geld und Häusern versorgt wurden:
"Einer meiner Kollegen, ein Schriftsteller, ging einmal in die zuständige Behörde, um aus irgendeinem Grund eine Buchlesung zu organisieren", erzählt Georgi Markow. "Natürlich sollte die literarische Lesung mit freiem Eintritt sein. Die Leute in der Behörde, die richtige Geschäftsleute waren, sagten ihm, dass er trotz des freien Eintritts kaum einen großen Publikumsansturm auf die Lesung erwarten könne, fügten aber hinzu: 'aber wenn ihr in die Gruppe von Schriftstellern Radoj Ralin aufnehmt, dann geben wir euch den großen Bulgaria-Saal.' Dieses Gespräch, das etwa Mitte der 60er Jahre durchgeführt wurde, zeigt sehr anschaulich die enorme Popularität von Radoj Ralin in Bulgarien. In den folgenden Jahren nahm diese Popularität nicht ab, sondern sie erreichte meiner Meinung nach unglaubliche Ausmaße.
Das Phänomen Radoj Ralin ist einzigartig im Leben in Bulgarien, aber es ist sehr tief in der kommunistischen Wirklichkeit verwurzelt. Ich habe immer gedacht, dass seine Satire der überzeugendste Beweis für die enorme moralische und materielle Korruption im Land, für die legalisierte Prinzipienlosigkeit, die vulgären Emporkömmlinge, für alle erfolgreich anerzogenen "kommunistischen Tugenden" wie Feigheit, Kriecherei, Gnadenlosigkeit gegenüber den Schwachen, den blinden Eifer das auszuführen, was "von oben" angeordnet wurde. All das war der Boden, auf dem die Popularität von Radoj Ralin in einer Gesellschaft wuchs, in der öffentliches Bewusstsein gar nicht vorhanden ist, Radoj war ein einsamer, aber starker Vertreter dieses Gewissens."
Durch seine "Reportagen aus der Ferne" öffnete Georgi Markow für die Menschen unter dem sozialistischen Deckel des totalitären Staates einen Spalt zum Licht der Wahrheit. Die Machthaber und die Geheimdienste im kommunistischen Bulgarien konnten ihm das nicht verzeihen. Am 7. September 1978, während er auf der belebten Londoner Brücke "Waterloo Bridge" zwischen den Passanten schritt, fühlte der Schriftsteller einen stechenden Schmerz in der Hüfte, und der Mann ihm gegenüber ließ seinen Regenschirm fallen. Vier Tage später starb Markow im Krankenhaus an der Vergiftung mit einem starken Toxin, das man ihm mit einer winzig kleinen Kugel in den Körper geschossen hatte. Der "Regenschirmmord", wie er in die Geschichte einging, blieb ungeklärt, da Jahrzehnte lang jegliche Zusammenarbeit der britischen Polizei mit den damaligen bulgarischen Behörden unmöglich war. Doch die Art und Weise, auf die der Mordanschlag durchgeführt wurde, sowie die Tatsache, dass das Datum der Ermordung mit dem Geburtstag des kommunistischen Diktators Todor Schiwkow übereinstimmte, war für viele schon damals Hinweis genug, in wessen Auftrag die freie Stimme eines Mannes brutal unterbrochen wurde, der mit seinen Rundfunkreportagen aus der Ferne den Bulgaren einen Schluck Freiheit gab.
Heute blickt Georgi Markow auf uns von seinem Denkmal auf dem Platz "Journalist" in Sofia und scheint uns spöttisch zuzuwerfen: "Ein Held ist kein Held mehr, wenn man ihn belohnt –sei es mit einem Grabmal oder einer Hinterbliebenenrente."
Übersetzung: Petar Georgiew
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