Unverhofft hat die bürgerliche Regierungspartei GERB ihre Absicht bekundet, Beratungen mit allen Parlamentsparteien über Verfassungsänderungen im Zusammenhang mit der Justizreform zu starten. Demnach soll der Oberste Justizrat in zwei Kammern geteilt werden – in eine Richterkammer und eine Kammer der Staatsanwälte. Ferner soll sich der Generalstaatsanwalt künftig dem Parlament verantworten. Von einer Reform des Obersten Justizrats ist seit knapp zehn Jahren die Rede, insofern ist dieses Vorhaben an sich keine Überraschung. Überraschend ist vielmehr der Meinungswandel des Justizministeriums, das bis vor kurzem der Ansicht war, eine solche Reform sei auch ohne Verfassungsänderungen möglich. Nun heißt es aber, eine Justizreform ohne Änderungen in der Verfassung wäre "halbherzig und uneffektiv", was an sich recht positiv ist. Aus den nachfolgenden Äußerungen wurde jedoch deutlich, dass die Verfassungsänderungen nicht von einer Verfassungsgebenden Volksversammlung verabschiedet werden sollen. Sprich: Änderungen in den Beziehungen zwischen den Justizbehörden sind nicht in Sicht, rechnen kann man lediglich mit Änderungen im System ihrer Verwaltung, um eine effizientere Rechtsprechung zu gewährleisten. Zudem sollen durch Strukturänderungen neue Akteure in die Judikative Einzug halten. Durch eine Kürzung der Amtszeit des Obersten Justizrats will man außerdem der Genese einer bürokratischen Klasse vorbeugen, deren Vertreter während ihrer gesamten Karriere administrative Leitungsposten bekleiden. Sicherlich werden alle Parlamentsparteien der Reformierung des Obersten Justizrats zustimmen, doch die wichtigsten unter ihnen – die GERB, die BSP und die Türkenpartei DPS - werden darauf bedacht sein, ihre Positionen im Justizsystem zu halten. Abgeordnete aus fast allen Parlamentsfraktionen geben offen zu, nicht mit radikalen Änderungen in der Funktionsweise der rechtsprechenden Gewalt zu rechnen, weil die größten Parlamentsparteien dort ihre Lobbys und folglich kein Interesse haben, dies ändern zu wollen. Was also letztendlich aus dieser an sich lobenswerten Initiative herauskommt, auf die die Europäische Kommission seit langem pocht, wird sich im Laufe der Konsultationen und danach zeigen.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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