„Die Vorstellung, dass die klassische Musik ruhig ist und entspannend wirkt, ist albern. Ich suche die Begeisterung! Ich lasse mich aber auch beeinflussen, von dem, was die Menschen hören; mir gefällt Musik mit einer starken politischen Botschaft.“ Das sagte uns der US-amerikanische Organist und Komponist Cameron Carpenter, der im Großen Saal des Nationalen Kulturpalasts in Sofia ein Konzert gab.
Cameron Carpenter gilt als der „böse Junge“ an der Orgel, nicht nur wegen seines extravaganten Äußeren, sondern vor allem wegen seiner Spielweise, die sich an den Grenzen des Möglichen, aber auch zumutbaren bewegt. Er spielt die herkömmliche Orgel-Klassik aber auch verschiedene Bearbeitungen von Klavier- und Orchestermusik. Cameron Carpenter ist die Angst vor dem gewaltigen Instrument fremd und das kann man deutlich aus seinen Interpretationen heraushören.
„Das ist meiner Meinung nach einer der größten Fehler – die Angst der Organisten vor dem eigenen Instrument. Dabei sollten gerade sie mit ihm bestens vertraut sein, um es kontrollieren zu können“, meint Cameron Carpenter. „Für mich hängt die Orgel mit dem Rationellen zusammen und in diesem Sinne bleibt die Religion etwas abseits. Es ist ein Instrument, das die Wissenschaft geschöpft hat und daher sollte die Einstellung zur Orgelmusikrezeption dort ansetzen.“
Und dennoch hat man immer in der Orgel eine Art Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen gesehen. Ist Cameron Carpenter nicht also so etwas wie ein Ketzer, wenn er an der Orgel sitzt und spielt, gekleidet wie ein Rock-Star?
„Um ein Ketzer zu sein, muss man als aller erstes eine religiöse Einstellung haben. Ich meinerseits bin nicht gläubig und die Frage kann ich also leicht beantworten. Wenn man aber den Dingen auf den Grund geht, muss man unterstreichen, dass die Orgel kein Vermittler ist, sondern eher als einseitiger Kommunikationskanal zu verstehen ist, dessen sich Gott bedient, um auf die Gläubigen einzuwirken. Außerdem hängt die Orgel weniger mit der Kirche, als vielmehr mit dem Militär zusammen. Ihre Ursprünge sind im antiken Griechenland zu suchen, wo sie als Signalisier-Gerät für weite Entfernungen diente. Sie wurde also im Kriegswesen benutzt und hat erst viel später in der christlichen Kirche Eingang gefunden.“
Cameron Carpenter hat an der „Juilliard School” in New York studiert, sein unruhiger Geist drängte ihn aber zu der Aussage: „Wenn ich Orgel so spielen müsste, wie sie am Konservatorium gelehrt und in der Kirche praktiziert wird, würde ich verrückt werden.“ Seiner Meinung nach habe kein Organist der Vergangenheit und Gegenwart den Mut gehabt, die Grenzen seines Instruments zu erweitern. Gibt es in der Kunst aber Grenzen, die er nicht überschreiten würde?
„Es gibt etliche Dinge, die ich mit Sicherheit nicht tun würde. Im Grunde genommen bin ich der Kunst gegenüber sehr konservativ, auch wenn man es meinem Äußeren nicht ansieht“, sagt der Organist. „Mir gefällt die zeitgenössische Musik nicht besonders. Daher setzte ich bei meinen Konzerten einen Akzent auf die Melodik und weniger auf das Avantgarde und die moderne Techniken.“
Cameron Carpenter spricht von einer „qualvollen Liebesgeschichte“, wenn es um die Orgel geht. Seit Anfang 2014 spielt Carpenter bei seinen Auftritten unter anderem auch auf seinem eigenen Instrument. So auch in Sofia. Bulgarien ist übrigens das einzige osteuropäische Land, das der Organist in seine diesjährige Tournee eingeplant hat.
„Einer der Gründe hierfür ist, dass Bulgarien eine sehr interessante Folklore besitzt. Leider gibt es keine Volksmusik für Orgel, ganz einfach weil dieses Instrument historisch bedingt mit der Kirche in Verbindung steht. Ich lass mich aber viel von der Volksmusik inspirieren, vor allem von der englischen. Das hat seinen Niederschlag in meinen Kompositionen, aber auch in meinen Interpretationen gefunden. Die Folklore ist in Bulgarien wirklich einzigartig. Ich habe einige Volkslieder gehört – sie haben mich stark beeindruckt und haben sich fest in meinem Bewusstsein eingegraben“, sagte abschießend Cameron Carpenter.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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