Schön, klug, talentiert und ein wenig exotisch, Elisaweta Bagrjana ist ein Stern im bulgarischen Kulturfirmament, das fast ausschließlich von Männern besetzt ist. Trotz ihrer Empfindlichkeit und Fragilität hat sie sich aber als erstaunlich stark erwiesen und hat es geschafft, sich im schwierigen Kampf um Selbstbestimmung und Emanzipation erfolgreich zu behaupten. Ihre Gestalt teilte wiederholt und kontrovers die öffentliche Meinung, ihr Gedankenflug brach die Barrieren der Konventionen und der Vorurteile und führte sie immer wieder zu unbekannten Ufern.
Elisaweta Bagrjana durchlebte viele turbulente Epochen der bulgarischen Geschichte, eroberte die Herzen von Millionen von Lesern – nicht nur in Bulgarien, sondern auch in Slowenien, Polen, Tschechien, Russland, Serbien, Frankreich, Rumänien, Italien, Schweden und natürlich auch im deutschsprachigen Raum. Dreimal wurde sie für den Literaturnobelpreis nominiert. Sie ist wie ein Stern, der wie der Halleysche Komet das Firmament nur einmal im Leben eines Menschen erhellt. Die Dichterin erlebte ihn aber zweimal – am Anfang und am Ende ihres schöpferischen Weges.
Hier die Stimme der Dichterin aus dem Goldenen Tonarchiv des Bulgarischen Nationalen Rundfunks – mit ihrem Gedicht "Der Stern", das sie dem Halleyschen Kometen gewidmet hat.
"Der Stern"
Wie ein Zeichen erschien er in der Tiefe des Firmaments über Sliwen
und spannte seine Feuerschleppe.
Und eine wunderliche Gestalt gewannen die gewohnten Dinge,
verwandelt in Perlmutt und Luft.
Unser altes Haus, sein tiefes Dach, die verschlossene Tür, der Mauerzaun aus Lehm.
Wie sehr erwartete ich deinen Aufgang jeden Abend,
heimlich, gehüllt im Dunkel des väterlichen Hofes,
kaum der Kindheit entronnen, entführtest du mich jenseits des sichtbaren Horizonts.
Dorthin, wo du Nacht für Nacht versankest bleich und dünn.
Für mich das erste große Wunder, des Unbekannten erstes Rätsel,
Unirdisch, unerreichbar, hast du, in der kleinen, alten Stadt
in mir geweckt die Sehnsucht nach der Größe, nach dem Ewigen die Leidenschaft.
Ich weiß, ein rarer Gast bis du auf unserem Planeten,
kein zweites Mal wirst du für mich aufgehen.
Wie des Herzens große Liebe,
wie der Trauerzug zum Grab, einmalig bist du.
Doch in meinem ganzen Wege voller Unruh, bis zu den Tagen heute,
die so schnell vergehen, hinterließest du in meinem Leben eine Feuerspur.
Elisaweta Bagrjana versuchte nicht, den Sinn der Dinge irgendwo außerhalb der Dinge selbst, in verborgenen Geheimnissen anderer Welten zu finden. In Sofia geboren und aufgewachsen, absolvierte sie zuerst ein Gymnasium und dann slawische Philologie an der Sofioter Universität, wo sie mit den Literaten Dimtscho Debeljanow, Dimitar Podwarsatschow, Hristo Jasenow, Jordan Jowkow und anderen bekannt wurde. Nach ihrem Studienabschluss im Jahr 1915 wurden in der Zeitschrift "Modernes Denken" ihre ersten Gedichte gedruckt. Wann wurde ihre Liebe zur Poesie geboren? Hier die Dichterin selbst:
"Der erste Funke der Poesie entzündete sich in mir als ich 14 Jahre alt war. Ich war Schülerin in der vierten Klasse, das entspricht heute der achten Klasse, am Gymnasium in Weliko Tarnowo. Als Beamter wurde mein Vater zusammen mit der ganzen Familie von Sofia nach Tarnowo versetzt. Wir haben dort nur ein Jahr verbracht. Doch diese Stadt, mit ihrer unglaublich schönen Lage, mit dem sich malerisch schlängelnden Fluss Jantra, mit ihren grünen Hügeln, die im Frühling voller Veilchen, Flieder und Nachtigallen waren, mit den übereinander aufgetürmten Häusern, die aus der Ferne wie gemalt, wie ein Theaterdekor aussieht – all das hat damals, ohne dass es mir bewusst war, meiner jugendlichen Fantasie und Sensibilität die ersten Impulse gegeben, was mich dann dazu bewegt hat, meine ersten Schülergedichte zu schreiben. Mein echtes dichterisches Schaffen begann, glaube ich, eigentlich erst nach 1920."
Der lange Schaffensweg von Elisaweta Bagrjana durchlief verschiedene künstlerische Richtungen und Transformationen, doch durch sie offenbarte die Frau mutig ihr Wesen in der bulgarischen Literatur. Sie liebte es zu reisen, ließ sich von der Höhe und der Geschwindigkeit berauschen. Ihr Puls schlug im Rhythmus der modernen Zeit, doch ihre Wurzeln waren immer tief mit dem nationalen Geist und der Harmonie der bewussten Existenz verbunden. Ihr Name war in vielen Kontroversen verwickelt, weil sie sich nicht scheute, ihre Positionen und Ansichten zu verteidigen, die nicht immer gut verstanden und aufgenommen wurden. Dazu gehörten ihr Einsatz zum Schutz der bulgarischen Juden im Jahr 1940, wie auch – zusammen mit Dora Gabe – für die Befreiung des südlichen Dobrudscha, das von 1913 bis 1940 Rumänien angegliedert war. Elisaweta Bagrjana nahm auch den Dichter Nikola Wapzarow in Schutz, der 1942 Widerstandsaktionen gegen die deutsche Wehrmacht in Bulgarien organisierte, verhaftet, gefoltert und zum Tode verurteilt wurde, schaffte es aber leider nicht, sein Leben zu retten. Später war sie auch an der Rettung des freiheitsliebenden Publizisten Deltscho Wassilew beteiligt, der nach der Machtübernahme der Kommunisten im September 1944 ins berüchtigte Konzentrationslager "Kutsiyan" geschickt wurde.
Das Leben der großen bulgarischen Dichterin zwischen Mythos und Realität erstreckte sich über fast ein Jahrhundert – vom Ende des 19. bis Ende des 20. Jahrhunderts. Elisaweta Bagrjana – die zeitlose und einzigartige, verließ uns im Jahr 1991. Und entgegen ihrer Erwartung erlebte sie zweimal den "raren Gast", den Halleyschen Kometen, der "eine Feuerspur" in ihrem Leben hinterließ – 1910 und 1986.
Übersetzung: Petar Georgiew
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