Die Krise mit den illegalen Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und Afrika hat eine weitere Trennlinie durch die EU-Staaten gezogen und unterzieht einige ihrer Grundwerte einer harten Prüfung.
Beim Gipfel Ende Juni in Brüssel kam es zu hitzigen Debatten über die Umverteilung von Flüchtlingen und die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zahlen. Der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk sprach von 60.000 Flüchtlingen, die die EU-Länder aufnehmen müssten. Ungarn und Bulgarien, die von einer starken Flüchtlingswelle überflutet werden, sollten dabei separat behandelt werden. Einen Monat später wurde die Zahl der Migranten, die aus Italien und Griechenland nach Bulgarien umverteilt werden sollen, letztendlich auf 500 herabgesetzt. Großbritannien, Irland und Dänemark müssen nicht mitmachen. Trotzdem haben sich manche bereit erklärt, Flüchtlinge aus Ländern außerhalb Europas aufzunehmen, andere wollen sich mit der Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien engagieren. Ungarn ist der einzige EU-Staat, der keinen einzigen Ausländer zur Umverteilung und Neuansiedlung beherbergen will. Österreich will keine in Griechenland und Italien eingetroffene Flüchtlinge aufnehmen, dafür aber 1.900 Menschen Zuflucht gewähren, die zeitweilig außerhalb der Union leben – zumeist in Lagern nahe der syrischen Grenze.
„Der jüngste Flüchtlingsbericht der Anmesty International belegt, dass die Zahl der Flüchtlinge trotz wachsender Entwicklungshilfe-Etats auf 50 Millionen geschnellt ist“, sagte die Soziologin Ewelina Slawkowa. „Es handelt sich dabei nicht nur um Menschen aus Konfliktherden im Nahen Osten, sondern auch aus Afrika, wo die Lebensumstände sehr schlecht sind. Die EU wird nicht nur von einer Flüchtlingselle, sondern auch von einer wachsenden Zahl von Wirtschaftsemigranten überrollt, die nach einem besseren Lebensstandard in Europa suchen. Das ist ein Problem, das nicht nur innerhalb der EU-Länder, sondern weltweit neue Trennlinien ziehen wird“, meint die Expertin.
Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass immer mehr europäische Staaten Grenzzäune, Trennwände und Sperren bauen.
„Dieser Trend hat in Spanien begonnen, wo man den Flüchtlingsstrom aus Afrika durch einen Zaun aufzuhalten versucht hat“, berichtet Ewelina Slawkowa weiter. „Später kamen solche Zäune an der griechisch-türkischen und bulgarisch-türkischen Grenze hinzu. Ein viel diskutiertes Thema ist in letzter Zeit die Absicht Ungarns, an der Grenze zu Serbien einen Grenzzaun gegen illegale Einwanderung zu bauen. Wenn es an einer einheitlichen globalen Strategie zur Flüchtlingsfrage mangelt, sucht jedes Land nach eigenen Lösungen. Das wird in der kommenden politischen Saison zur einer Trennlinie zwischen den EU-Ländern führen. Selbst wenn die Probleme mit Griechenland und Großbritannien die Einigkeit innerhalb der EU nicht ernstlich ins Wanken bringen sollten, könnte dies die Migrationswelle tun“, befürchtet Ewelina Slawkowa.
Während der vergangenen politischen Saison wurden in Brüssel viel Zeit und Energie in Sachen Flüchtlinge und die Quotenregelung investiert. Man denkt inzwischen sogar an eine Neufassung des Dubliner Übereinkommens, da andernfalls Griechenland, Bulgarien, Italien und Spanien dem Flüchtlingsdruck nicht gewachsen sind. Die meisten Flüchtlinge, die in Bulgarien eintreffen, befinden sich auf dem Weg in andere europäische Länder. Im Unterschied zu Italien, das sie ohne eine Registrierung aufnimmt und weiter gen Norden ziehen lässt, nimmt Bulgarien seine Rolle zur Überwachung der EU-Grenzen sehr ernst.
Laut Ewelina Slawkowa setzt sich innerhalb der EU in puncto Flüchtlinge immer mehr das Prinzip „Bloß nicht in meine Haus“ durch. „Die Spannung eskaliert, da viele Menschen in der Flüchtlingen eine Gefahr für ihre Arbeitsplätze und ihr Leben sehen und diese Befürchtungen sind nicht völlig haltlos. Das wird nationalistischen Parteien Rückwind geben. Und so wird immer deutlicher, dass der Schutz der EU-Grenzen und die Solidarität mit den Flüchtlingen ein Oxymoron an sich ist“, meinte abschließend Ewelina Slawkowa.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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