Kinder, die Opfer von Gewalt sind, werden künftig in spezialisierten Kinderzimmern vernommen werden, anstatt bei der Polizei und vor Gericht. Die zu diesem Zweck eingeplanten „Blauen Zimmer“ haben eine Trennwand aus venezianischem Glas. In der einen Hälfte sind sie kindsgerecht eingerichtet und hinter der Trennwand nehmen der Richter, der Staatsanwalt, der Angeklagte und dessen Anwalt Platz. Die während der Vernehmung aufgenommen Videos haben Beweiskraft vor Gericht. Das sieht die EU-Richtlinie 2012/29 zu Opferrechten vor.
„Bislang wurden in Bulgarien 14 blaue Zimmer eingerichtet“, erläutert Vize-Justizministerin Werginija Mitschewa. „Sie werden vom Gericht, der Staatsanwaltschaft, von Ermittlern bei der Polizei und von Sozialarbeitern genutzt. Allerdings muss ich eingestehen, dass sie bislang nicht vollwertig ausgelastet sind. Damit sich das ändert, wollen wir, dass dem Gericht und den Ermittlungsbehörden vorgeschrieben wird, diese Räume obligatorisch zu nutzen.“
Zu den Prioritäten von Vize-Justizministerin Mitschewa gehört die Transponierung dieser Richtlinie und die Ausarbeitung eines Gesetzes zur Kinderrechtspflege. „Die Änderungen in der Strafprozessordnung, an denen das Justizministerium derzeit arbeitet, sehen die Einrichtung weiterer kindgerechter Vernehmungszimmer vor“, erläutert Vize-Justizministerin Mitschewa. Sie erinnert sich, wie sie ein zwölfjähriges Kind vernehmen musste, das bereits im Alter von drei Jahren Opfer von Gewalt wurde. „Stellen Sie sich vor, was dieses Kind auf seinem Weg in den Gerichtsaal durchgemacht hat“, sagt sie.
In den nächsten zwei-drei Monaten sollen weitere fünf „blaue Zimmer“ einsatzbereit sein. Sie entstehen im Rahmen des Bulgarisch-Schweizerischen Programms zur Zusammenarbeit und Entwicklung, das mit Hilfe des Justizministeriums umgesetzt wird.
„Die EU-Richtlinie 2012/29 betrifft nicht nur Kinder, die Opfer von Gewalt sind, sondern auch bereits erwachsene Personen“, erklärt Vize-Justizministerin Werginija Mitschewa. "Wir haben viele Texte aus der Richtlinie in unsere Strafprozessordnung übernommen. Die Rolle der Vermittler ist extrem wichtig, deshalb wollen wir Vermittler ausbilden, die im Strafverfahren arbeiten. In diesem Jahr wird uns das Bulgarisch-Schweizerische Programm zur Zusammenarbeit und Entwicklung dabei helfen."
Die EU-Richtlinie zu Opferrechten ist seit dem 16. November 2015 in Kraft, doch das bulgarische Parlament hat die entsprechenden Novellen noch nicht verabschiedet.
„Anfangs hatte ich den Eindruck, dass es keine besondere Schwierigkeit sein wird, diese Richtlinie umzusetzen“, sagt Vize-Justizministerin Mitschewa. „Wir arbeiten bereits seit vier Monaten daran und ich hoffe, dass wir Mitte Februar mit den Texten fertig sind. Die Transponierung der EU-Richtlinie zu Opferrechten hat sich als enorme Herausforderung entpuppt, da sie den Begriff „Opfer von Gewalt“ einführt. Das erschwert die Synchronisierung von Texten der bulgarischen Strafprozessordnung an die Anforderungen dieser Richtlinie.“
Vize-Justizministerin Werginija Mitschewa und ihr Team arbeiten derzeit ein Gesetz zur Kinderrechtspflege aus, das vom Strafvollzug abkommt und zum Behandlungsvollzug übergeht. Die darin vorgesehenen Resozialisierungsmaßnahmen sollen Opfern, Tätern und der Gesellschaft als Ganzes zugute kommen.
„Ich rechne damit, dass wir bis Monatsende die Gesetzesnovellen bereits formuliert haben und einer breiten öffentlichen Diskussion unterbreiten werden, da es sich hierbei um eine enorme Änderung handelt, nicht nur in Sachen Kinderstrafrecht, sondern auch bei der sozialen Betreuung, Erziehung und Resozialisierung der betroffenen Jugendlichen. Uns steht also noch viel Arbeit bevor“, sagte abschließend Vize-Justizministerin Werginija Mitschewa.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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