In dieser Woche haben Staatspräsident Rossen Plewneliew und Vizepräsidentin Margarita Popowa auf die vier Jahre Amtszeit zurückgeblickt. Bekanntlich finden im Herbst Präsidentschaftswahlen statt. Plewneliew, der vor seiner Wahl zum Staatsoberhaupt Entwicklungsminister im ersten Kabinett Borissow war, stellte sich von Anfang an die Diversifizierung der Energielieferungen für Bulgarien als Ziel.
„Wir haben die Prioritäten in der bulgarischen Energiepolitik grundsätzlich verändert“, erklärte Plewneliew, dessen Vorgänger, der frühere Sozialistenchef Parwanow drei große russische Energieprojekte in Bulgarien umgesetzt sehen wollte. „Diesen sog. `Grand Slam` in der Energiewirtschaft Bulgariens haben wir durch sinnvollere drei Prioritäten ersetzt: Energieeffizienz, Energiediversifizierung und Energieliberalisierung.“
Doch, für Rossen Plewneliew gab es auch ein weiteres, sehr wichtiges Thema – die Justizreform. Dazu sagte er: „Die Verfassungsänderungen, die Ende des Jahres im Parlament vorangebracht worden sind, sind ein Schritt nach vorn. Sie hinterließen aber den Eindruck, dass es an politischen Willen fehlt, die Sache zu Ende zu bringen und eine tiefgreifende und umfassende Justizreform durchzusetzen. Deshalb werde ich die weiteren Bemühungen in dieser Richtung unterstützen“, kündigte der Präsident an.
Ihm zufolge ist die Vertrauenskrise in der bulgarischen Gesellschaft auf die Politiker und Institutionen zurückzuführen. Im Anschluss dieser Gedanken forderte Vizepräsidentin Margarita Popowa, die rosarote Brille abzunehmen, und stellte eine Reihe von rhetorischen Fragen:
„Wie weit sind wir im Aufbau des Sozialstaates gekommen? Haben wir eine soziale Sicherheit erreicht? Ist unsere Gesellschaft vereint? Die Antworten dieser Fragen und das entsprechende Handeln sind Gegenstand der Politik des bulgarischen Präsidenten, denn damit kann keine Parteizentrale beauftragt werden“, meint Popowa.
Es dauerte nicht lang, und es kamen die ersten kritischen Bemerkungen der politischen Beobachter in Bulgarien nach diesem Rechenschaftsbericht. Der Politikwissenschaftler Boris Popiwanow von der Sofioter Universität vermisst zwei wichtige Themen:
„Präsident Plewneliew hat ein sehr ehrgeiziges Programm umrissen, sprach über acht politische Prioritäten, hat aber vermutlich absichtlich vergessen, darauf einzugehen, wie der überparteiliche Staatschef mit der Regierung und dem Parlament kommuniziert“, kritisiert der Politologe, der damit die Nähe des Präsidenten zur heutigen konservativen Regierungspartei anvisiert. „Plewneliew vergisst oftmals, dass der Wille der Wähler nicht nur mittels Volksbefragungen ausgedrückt wird, sondern auch bei Wahlen, wenn sich politische Parteien zur Wahl stellen. Es ist bekannt, dass der Präsident eine Vorliebe für das Referendum entwickelt hat, das ist aber bei weitem nicht alles. Und noch etwas“, setzt Popiwanow fort. „Sein Rückblick auf die vier Jahre Amtszeit fiel ausgesprochen optimistisch aus. Er sprach von einem wirtschaftlichen und technologischen Aufschwung, den die einfachen Menschen in Bulgarien irgendwie verschlafen zu haben scheinen. Viel mehr kommt den Menschen in den Sinn, dass Bulgarien ein armes, sozial schwaches Land war und ist“, meint der Politikwissenschaftler.
Georgi Harizanow vom Institut für konservative Politik in Sofia hält dagegen, dass Plewneliew durchaus politische Verdienste zu vermelden hat.
„Wichtig ist zu betonen, dass Rossen Plewneliew für den Ausweg Bulgariens aus der politischen Isolation während der sozialliberalen Regierung 2013-2014 einen wesentlichen Beitrag geleistet hat“, kommentiert Harizanow. „Im Gedächtnis der Menschen wird aber sicherlich auch bleiben, dass das Team Plewneliew-Popowa nicht unbedingt eingespielt war und ist. Vielen fällt schnell ein, wie oft Präsident und Vizepräsidentin unterschiedlicher Meinung waren“, so Georgi Harizanow.
Deutsche Fassung: Vessela Vladkova
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