Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro sind Geschichte. Doch, hakt man sie einfach ab, ohne Konsequenzen zu ziehen, wird sich die bulgarische Teilnahme an den Sommerspielen in vier Jahren mit dem Motto erübrigen: „Dabei sein ist alles“.
In Rio gab es für Bulgarien drei Medaillen – Silber für die Hochspringerin Mirela Demirewa, Bronze für die Ringerin Eliza Jankowa und Bronze für die fünf Mädchen der rhythmischen Sportgymnastik. Damit belegt Bulgarien Platz 65 im Medaillenspiegel. Zugegeben, es gibt auch eine alternative Wertung nach Bevölkerungszahl, und da sieht es für das kleine Bulgarien deutlich besser aus – mit Platz 40 sind die heimischen Olympioniken besser, als etwa die USA. Doch, die Realität ist eine andere. Die drei leuchtenden Medaillen und die vom Glück leuchtenden Augen von insgesamt sieben Bulgarinnen bringen kein Licht in das trübe sportliche Bild. Der bulgarische Hochleistungssport findet sich nach Rio in einer Situation wieder, wenn drei Medaillen (darunter keine goldene) ausreichen, um zufrieden zu sein.
Der Knoten platzte wieder einmal im Ringen. Die Bronzemedaille der 21jährigen Eliza Jankowa ist die 69. Medaille in dieser Sportart für Bulgarien in der olympischen Geschichte. Im Ringen hat Bulgarien Tradition, aber auch in der Leichtathletik, wo Stefka Kostadinowa mit 2,09 Metern noch immer den Weltrekord im Hochsprung hält, im Sportschießen, wo Bulgarien mehrere Olympiasieger hat, im Boxen, in der rhythmischen Sportgymnastik, im Rudern.
Dieses Jahr wollte es nicht klappen. Und auch in London vor vier Jahren nicht. Was aber den Sportfunktionären den Kopf zerbrechen sollte, ist weniger die Zahl der Medaillen, als vielmehr die Leistungen der bulgarischen Sportler. Viele von ihnen, die eigentlich um olympische Medaillen kämpfen wollten, haben in Rio nicht einmal ihre Saisonbestleistung gebracht. Im vierjährigen olympischen Zyklus ist das eine Katastrophe, und sie zeigt, dass in der Vorbereitung etwas nicht stimmt. Das beweisen auch die Leistungen von zwei Leichtathletinnen. Die Sprinterin Ivet Lalova-Collio schaffte es über 200 Meter ins Finale, was für die Europameisterin ein Riesenerfolg zum Ausgang ihrer Laufbahn ist. Und Mirela Demirewa sicherte sich souverän die Silbermedaille im Hochsprung. Beide trainieren im Ausland und beteuern immer wieder in Interviews, dass sie sich dort um keine Nebensächlichkeiten Sorgen machen müssen und sich nur auf den Sport konzentrieren können.
Mit den zum Teil miserablen Trainingsbedingungen und dem chronischen Geldmangel erübrigt sich das Thema aber nicht. Jeder, der halbwegs vom Leistungssport versteht, weiß, dass für den höchsten sportlichen Olymp eine langfristige Strategie und nachhaltige Nachwuchsarbeit her müssen. Für das kleine Bulgarien mit seiner schwindenden und alternden Bevölkerung sind auch drei olympische Medaillen ein gutes Ergebnis, wäre diese Bedingung erfüllt. Bulgarien hat aber keine Sportpolitik, und von Nachwuchsförderung ist nur bedingt zu sprechen. Der Massensport ist seit Jahren vernachlässigt. Nicht einmal in der Schule findet ein vernünftiger Sportunterricht statt. Sportfunktionäre fordern seit Jahren Steuererleichterungen für die Wirtschaft, die den Hochleistungssport sponsert. Es tut sich aber nichts. Und so liegen die Ergebnisse auf der Hand – bei den olympischen Spielen in Seoul 1988 feierte Bulgarien ganze zehn Titel und nahm Platz vier im Medaillenspiegel ein. In Rio waren es nur eine silberne und zwei bronzene Medaillen.
Die bulgarische Biathlon-Olympiasiegerin aus Nagano 1998, Ekaterina Dafovska, hatte es in einem Interview für Radio Bulgarien auf den Punkt gebracht: "Wir brauchen konsequente Unterstützung und dauerhafte Investitionen in den Hochleistungssport. Ohne Kontinuität warten wir nur darauf, dass sich Naturtalente durchboxen. Ich bin meinem Schicksal dankbar, dass Bulgarien auch vor meiner Generation sehr gute Biathletinnen hatte und ich von ihnen lernen durfte. Aber heute sehe ich keinen Nachwuchs, der von uns, den erfahrenen Sportlern, lernen könnte." Zitatende.
Trainer und Sportfunktionäre behaupten, das Desaster liege nicht an fehlenden Talenten, sondern an fehlenden Trainern und kontinuierlicher Nachwuchsförderung. Die guten Trainer aus Bulgarien sind schon längst ausgewandert und bereiten Spitzensportler anderer Nationen vor. Die Erfolge in der rhythmischen Sportgymnastik von Ländern wie Spanien, Italien oder Israel, sind bulgarischen Trainerinnen zu verdanken, denn Bulgarien hatte in den 1980er Jahren Schule gemacht und diese Sportart über Jahre dominiert.
Bulgarien kann nicht mehr jene Sportmacht werden, die es vor der Wende dank der staatlichen Förderung war. Aber es ist traurig und schade, wenn man in Sportarten auf der Verliererseite steht, die eine lange und erfolgreiche Tradition in Bulgarien haben.
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