Der Startschuss ist gegeben. Der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen am 6. November ist nun offiziell eröffnet und wird sich allem Anschein nach um ein neues Thema drehen. Die Flüchtlingswelle in Europa wirft ihre Schatten bis ins Präsidialamt in Sofia, was selbst an den Kandidaten um den höchsten Posten im Land klar abzulesen ist. Darunter glänzen ein General und ein Nationalpopulist besonders hell.
Die Gefahr für die nationale Sicherheit Bulgariens, die angeblich aus dem Flüchtlingsandrang hervorgeht, kann man weder mit der Hand fühlen, noch im Alltag spüren, aber sie liegt in der Luft und die Wähler sind von ihrer Existenz überzeugt. Und so überschattet sie die traditionellen innenpolitischen Themen, wie Korruption, Justiz, Armut und fehlende Reformen. Das hat auch einen anderen Grund: wir haben uns schon längst daran gewöhnt, dass die heimische Politik bestechlich ist, die Justiz nicht funktioniert und wir alle arm sind. So gesehen ist die Bedrohung von außen etwas Neues für alle Beteiligten an den bevorstehenden Wahlen. Bedrohlich ist aber viel mehr, dass sich die tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Thema Flüchtlinge in der bulgarischen Öffentlichkeit ziemlich rar macht. Die Medien bewegen sich an der Oberfläche des Problems und tragen dazu auch nicht bei. Nur selten sickert durch, dass die von Bulgarien vor zehn Jahren so angebetete Europäische Union nicht das ist, wovon man sie vor dem Beitritt hielt. Die Spaltung, die sich heute wegen der Migranten breit macht, veranschaulicht die Scheinheiligkeit der Union. Da hat der ungarische Ministerpräsident Orbán durchaus Recht, wenn er behauptet, die Zukunft der EU entscheide sich nicht in Brüssel, sondern an der bulgarisch-türkischen Grenze.
Schaut man sich die Kandidaten für das Präsidentenamt an, so bleibt der Eindruck, dass auch die Parteizentralen die Themen unter sich aufgeteilt haben. Die Sicherheitsfragen sind fest in den Händen der Nationalpopulisten und der sozialistischen Opposition mit einem General als Anwärter auf den höchsten Posten im Land, während die Korruptionsbekämpfung und die stotternde Justizreform dem mitregierenden und bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen chancenlosen konservativen Reformblock überlassen sind. Die eigentliche Gefahr mit Dauerwirkung ist viel mehr, dass die Flüchtlingsdebatte in Bulgarien auf Schüren von Ängsten reduziert wird. Dabei machte Bulgarien bereits vor drei Jahren die bittere Erfahrung, dass weder die Behörden, noch die Bevölkerung auf die Welle von zunächst Bürgerkriegsflüchtlingen und später Wirtschaftsmigranten vorbereitet waren. Statt sich dem Personalmangel, der schlechten Qualifikation der Migrationsbeamten und den sich überschneidenden Kompetenzen der diversen Ämter anzunehmen, ließ Bulgarien einen Grenzzaun bauen. Das oberflächliche Bild, das die Medien malen, ist der Wind in den Segeln der Nationalpopulisten, die bis zur Flüchtlingswelle kaum eine entscheidende Rolle in der bulgarischen Politik gespielt haben. Nun rechnen die Meinungsforscher ihren Präsidentschaftskandidaten durchaus Chancen aus.
Soziologische Analysen zeigen, dass nach jeder apokalyptischen Berichterstattung in den Medien die Ängste der Menschen steil nach oben steigen. Die Angst vor dem Unbekannten könnte sich aber durchaus als Vorteil für die Regierungspartei entpuppen, die zwar eine schwache Kandidatin aufgestellt hat, dafür aber nach wie vor auf das Charisma des Ministerpräsidenten setzt. Denn in Zeiten von Unsicherheit greift man intuitiv zum Altbewährten und Sicheren. Und der mächtige Regierungschef ist als ehemaliger Polizeichef ganz bestimmt eine altbewährte Größe in den Köpfen der Bürger, bei dem man sich gut aufgehoben fühlt. Er scheut auch keine Mühe, sich als die einzige Garantie für die Sicherheit Bulgariens herauszustellen. Erst auf dem zweiten Blick wird deutlich, dass er in einer so komplexen Problematik, wie der Flüchtlingskrise, keine gradlinige Politik betreibt, sondern mal Brüssel, mal Berlin, mal den Osteuropäern Gefallen tut. Für ihren so typischen Zickzack-Kurs hat die bulgarische Regierung auch eine Erklärung: Was sollen hier Reformen, wenn die große Gefahr vor der Haustür steht? Ängste verkaufen sich halt gut.
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