Am vergangenen Wochenende haben in Bulgarien erneut Proteste gegen die vermeintliche Flüchtlingsgefahr stattgefunden. In Harmanli, unweit der bulgarisch-türkischen Grenze, wo eines der größten Flüchtlingsheime steht, aber auch in der Hauptstadt Sofia mit drei Erstaufnahmestellen, Burgas auf der neuen Flüchtlingsroute und Samokow, wo man ein neues Flüchtlingsheim befürchtet, gingen die Menschen auf die Straße, weil sie Angst haben. Hier eine Zusammenfassung der Ereignisse.
Dass es in der Flüchtlingskrise keine Entwarnung gibt, zeigt ein anderes Ereignis aus der vergangenen Woche. Am Freitag hatte die aufgestockte Europäische Grenzschutzbehörde ihren offiziellen Neustart in Bulgarien, wo heute neben den bulgarischen Grenzschützern knapp 200 Polizeibeamte aus der EU die bulgarisch-türkische und bulgarisch-serbische Grenze überwachen. Allein in einer Woche sind zudem laut Angaben des Innenministeriums fast 500 Flüchtlinge illegal ins Land eingereist, womit sie heute insgesamt mehr als 15.000 an der Zahl sind. Der Großteil von ihnen will erst gar nicht in Bulgarien bleiben. Dazu noch sind die Erstaufnahmestellen überfüllt, wie die bulgarische Flüchtlingsagentur meldet. Die Behörde gab zudem bekannt, dass Flüchtlinge, die aus Bulgarien weiter nach Westeuropa reisen wollen, die Heime verlassen und auf eigener Faust versuchen, illegal das Land zu verlassen. Darüber hinaus gab das Innenministerium bekannt, dass die Kapazität der Aufnahmestellen für potentielle Gefährder und nichtidentifizierte Personen vollkommen überlastet sei. Dort seien 1587 Personen untergebracht, während die vorgesehenen Plätze lediglich 940 sind. Hinzu kommt, dass die Grenzpolizei fast täglich Migranten beim illegalen Grenzübergang erwischt. In der vergangenen Nacht hatten sich 65 Flüchtlinge in einem Güterzug aus der Türkei versteckt, um durch Bulgarien nach Westeuropa zu gelangen.
Angesichts dieser Meldungen hatten sich Nationalisten via Facebook zum Protest in Sofia organisiert. In der Innenstadt trugen sie Plakate mit der Aufschrift: "Nationaler Widerstand" und forderten lautstark, Bulgarien von den Islamisten zu befreien. Sie wollen zudem Bürgerwehren organisieren, um die Hauptstädter vor den Migranten zu schützen.
Im südbulgarischen Harmanli zogen die Menschen zum zweiten Mal auf die Straßen, um gegen das Verhalten der Flüchtlinge in der Stadt und die Machtlosigkeit der Polizei zu protestieren. In Harmanli leben rund 10.000 Einwohner, und im Flüchtlingsheim am Rande der Stadt sind an die 3500 Flüchtlinge untergebracht. Da das Heim vollkommen überlastet ist, sollen neue Container noch mehr Migranten aufnehmen. Die Flüchtlingsagentur, die das Heim betreibt, reagierte auf die erste Protestkundgebung in Harmanli und führte eine Ausgangssperre ein.
In der Schwarzmeerstadt Burgas richtete sich die Protestkundgebung gegen die Pläne der Behörden, eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Zwezdetz, nahe der bulgarisch-türkischen Grenze im Naturpark Strandscha zu errichten. Aus Angst, dass die ehemaligen Kasernen in Samokow, etwa 70 Kilometer westlich von Sofia, als Flüchtlingsheim dienen sollen, gingen auch die Einwohner dieser kleinen Gebirgsstadt auf die Straße. Zwar hatte das Innenministerium offiziell erklärt, dass es keine solchen Pläne habe, doch das hatte die Bürger nicht beruhigt.
Ähnliche Kundgebungen, wie am Wochenende, gab es auch in der Vergangenheit. Doch, diesmal ist die Politisierung der Unmut deutlich zu erkennen. Dem Protestzug in Sofia stand Peter Nizamow vor, der im Internet durch seine Bürgerwehr im Strandscha-Gebirge berühmt geworden war. In seiner Rede forderte er die Abschiebung aller Asylbewerber, die keinen Flüchtlingsgrund haben. Er sprach sich sogar für den Rücktritt der Regierung aus, sollte Bulgarien darin scheitern.
Die Proteste der Flüchtlingsgegner sind (noch) übersichtlich und lokal. Die Motivation der Protestierenden ist aber immer wieder die gleiche. Ob sie in politische Forderungen umschlagen werden, ist zwar noch unklar, aber man kann ganz bestimmt von einer Radikalisierung sprechen. Der aktuell in Bulgarien laufende Präsidentschaftswahlkampf wird ohnehin schon von außenpolitischen Sicherheitsfragen dominiert.
Deutsche Fassung: Vessela Vladkova
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