Und plötzlich bekam das Parlament in Sofia alle Hände voll zu tun. Noch, bevor es klar wird, ob es eine neue Regierung im Rahmen des jetzigen Parlaments geben wird oder Neuwahlen anberaumt werden, müssen die Abgeordneten über das Wahlrecht entscheiden. Schon wieder, würde jemand meinen, und hätte Recht – schließlich wurde das Wahlgesetz nur eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen Anfang des Monats umgekrempelt. Nun aber steht eine revolutionäre Änderung des Wahlrechts auf dem Tisch. Denn 3,5 Millionen Bulgaren haben sich beim Referendum am 6. November für die Einführung der Mehrheitswahl ausgesprochen.
Die Mehrheit für die Mehrheitswahl ist beeindrucken – mehr als zwei Drittel der Bürger wollen sie haben. Dies unbeachtet zu lassen, wäre schlicht und einfach undemokratisch. Und obwohl die politischen Kräfte die Mehrheitswahl mit gemischten Gefühlen betrachten, müssen sie diese Herausforderung irgendwie meistern. Einen ersten Schritt unternahm gestern die Bürgerbeauftragte Maja Manolowa – sie brachte einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, der vorsieht, dass Bulgarien in 231 Wahlkreise im Land und 9 weitere für die im Ausland lebenden Bulgaren eingeteilt wird. Jeder der insgesamt 240 Abgeordneten wird mit mehr als 50 Prozent der Stimmen in erster Runde gewählt. Die einfache Mehrheit gilt für die Stichwahl, wenn sie denn notwendig wird. Die neue geografische Aufteilung des Landes in 231 Wahlkreise wird nicht reibungslos verlaufen. Die Entvölkerung ganzer Regionen macht die Aufgabe schwierig. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass wahlberechtig nur jene volljährigen Bürger sind, die seit mindestens sechs Monaten im jeweiligen Wahlkreis wohnen. Wie man der potentiellen Wählerwanderung im Ausland aus dem Weg gehen kann, weiß nicht einmal die Bürgerbeauftragte Manolowa. Gegenüber Journalisten sagte sie lediglich, mit dem recht schnell eingebrachten Gesetzentwurf wolle sie nur den Willen der Bürger schützen.
Inoffiziellen Angaben zufolge will die größte Partei in Bulgarien, die bürgerliche GERB des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Bojko Borissow, die Mehrheitswahl unterstützen. Mehr noch – die GERB habe mit allen Parlamentsparteien mit Ausnahme der Sozialisten Sondierungsgespräche geführt, und sei soweit die einzige Partei, die sich die Einführung der Mehrheitswahl ausgesprochen hat. Die oppositionellen Sozialisten hatten bereits angekündigt, das neue Wahlsystem zu unterstützen. Die Stimmen der Noch-Regierungspartei würden allerdings nicht reichen, um die Änderung im Parlament durchzubringen. Die Sozialisten neigen jedoch eher zu einem gemischten Wahlsystem, wenn nur die Hälfte der 240 Abgeordneten in einer Mehrheitswahl gewählt wird.
Die Experten sind sich einig – eine Mehrheitswahl, wie in Frankreich oder Großbritannien, würde nur den großen Parteien den Einzug ins Parlament sichern. Dieses Wahlsystem würde die ohnehin existierenden Probleme mit Stimmenkauf und Manipulationen vertiefen. Angesichts dessen hört sich das Argument der Bürgerbeauftragten Maja Maonolowa, die Politiker hätten bereits mehrmals Fehler begangen, jetzt sei das Volk an der Reihe, gelinde gesagt zynisch an.
Redaktion: Vessela Vladkova
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