Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2025 Alle Rechte vorbehalten

„Der Vergessene“ – Konzert in Angedenken an Wasko Abadschiew

Foto: Archiv

An diesem Sonntag organisiert das „City Mark Art Center“ in Sofia eine Matinee, die dem bulgarischen Violinvirtuosen und Komponisten Wasko Abadschiew gewidmet ist, der als einer der bedeutendsten Geiger des vergangenen Jahrhunderts eingestuft wird. Abadschiew galt bereits zu Lebzeiten als Wunderkind und „Paganini des 20. Jahrhunderts“. Er hat mit den bedeutendsten Symphonieorchestern Europas unter der Leitung von Spitzendirigenten, wie Wilhelm Furtwängler, Willem Mengelberg, Karl Böhm u.a. musiziert.

Das Schicksal von Wasko Abadschiew war reich an Höhen und Tiefen. Er wurde 1926 in einer Musikerfamilie geboren, die sein enormes Talent erkannte und sich voll auf die Realisierung des jungen Musikers konzentrierte. Bereits mit 6 Jahren debütierte er als Geiger und mit 9 beendete er das Konservatorium in Sofia. Damit ist er als jüngster Diplomand in die Geschichte der Hochschulbildung Bulgariens eingegangen. Im Alter von 11 Jahren setzte er seine Ausbildung an der Musikakademie in Brüssel fort, die er bereits im Jahr darauf beendete. Im gleichen Jahr – Abadschiew war 12 Jahre alt, gewann er den internationalen Musikwettbewerb auf den Namen von Eugène Ysaÿe in Lüttich. Damit wurde er in ganz Europa berühmt und die Familie zog mitten im Zweiten Weltkrieg nach Berlin, wo der Junge an der dortigen Musikhochschule Kompositionslehre und Kontrapunkt studierte. Der Tod des Vaters 1947 ließ seine heile Welt zusammenbrechen und Wasko Abadschiew fuhr nach Budapest, um die ersten Krisen eines Nervenleidens zu kurieren.

Zu Beginn der 50er Jahre kehrten er und seine Mutter nach Bulgarien zurück, in dem seit Kriegsende die Kommunisten regierten. Da Abadschiew sich ausschließlich mit Musik befasste, war er dem Regime durchaus genehm, das ihm Konzerte organisierte und ihn sogar auszeichnete.

1956 reiste Wasko Abadschiew erneut nach Ungarn und geriet in den Ungarischen Volksaufstand. Bereits im Zug wurde er angegriffen und verletzt, woraufhin er nach Westberlin weiterreiste, um sich dort behandeln zu lassen. Abadschiew und seine Mutter blieben im Westen, was sie in ihrer kommunistischen Heimat sofort zu Volksfeinden machte. Man begann sogar, alle seine Aufnahmen zu vernichten. In Westdeutschland bekam der Geigenvirtuose viele Konzertengagements und hatte weiterhin Erfolg, was jedoch vor allem seiner Mutter zu verdanken war, die ihm eine große Stütze war. Nach ihrem Tod 1965 brach die Welt des Virtuosen ein zweites Mal zusammen – diesmal für immer. Der kindlich naive Abadschiew, der die Zügel seines Schicksals nie in den Händen gehalten hatte, verlor vollkommen den Boden unter den Füßen. Zudem erlitt er einen schweren Unfall, der seiner Konzerttätigkeit ein Ende bereitete. Nunmehr musste er sich sein Geld als Dienstbote eines Verlags verdienen und spielte in Kneipen zur Unterhaltung der Gäste. 1978 starb Abadschiew einsam und verlassen an Hunger und Erschöpfung in einem S-Bahnzug in Hamburg...

Die Matinee an diesem Sonntag findet unter dem Motto „Der Vergessene“ statt. Schüler der Nationalen Musikschule in Sofia werden Werke aus dem Repertoire von Wasko Abadschiew zu Gehör bringen. Dr.-Ing. Christo Wassilew, der die größte Sammlung mit Aufnahmen mit Wasko Abadschiew besitzt, hat seinerseits einige für das Konzert zur Verfügung gestellt. Das Programm selbst wurde von Alexander Abadschiew gewählt, der den Geigenvirtuosen vier Jahre lang auf seinen Konzerten begleitete. Er wird interessante Details aus dem Leben seines Freundes erzählen. Obwohl beide den gleichen Familiennamen besitzen, sind sie nicht verwandt. Das gilt übrigens auch für den Schriftsteller Margarit Abadschiew, der 2009 einen autobiographischen Roman über den bedeutenden bulgarischen Geiger herausgab.

Doch zurück zur Matinee und Alexander Abadschiew, der im Gespräch in seinen Erinnerungen kramte:

Es passierte ganz zufällig“, erinnert er sich. „Ich war Kompositionsschüler von Pantscho Wladigerow und lernte Klavier bei Andrei Stojanow. Wladigerow hatte die Sorge für Wasko übernommen, nachdem dessen Vater und Rektor des Konservatoriums, Prof. Nikola Abadschiew, verstorben war. Es war kein Geheimnis – Wasko konnte mit vielen Dingen des täglichen Lebens nicht fertig werden, da er ja unter einem Nervenleiden litt. Ich weiß noch, wie verwundert wir alle waren, als uns einmal Prof. Wladigerow vorschlug, mit dem virtuosen Geiger mit Glasmurmeln zu spielen. Damals war er bereits ein gefeierter Musiker. Die Säle, in denen er spielte, waren überfüllt. Die Menschen standen stundenlang Schlange, um eine Eintrittskarte zu ergattern. Der damalige Generalsekretär der Bulgarischen Kommunistischen Partei, Walko Tscherwenkow, nahm ihn „unter seine Obhut“. Man erhöhte die Zahl der Konzerte die er gab, und es begann eine Odyssee, in der mir die Aufgabe zuerteilt wurde, mit ihm zu proben. Die Konzerte wiederum gab er mit Pantscho Wladigerow und in Plowdiw mit Russlan Rajtschew. Vier Jahre lang habe ich Wasko Abadschiew auf seinen Konzertreisen begleitet, half ihm mit allem, was ich konnte und habe ihm enorm viel Zeit geopfert, in der ich eigentlich hätte weiterstudieren müssen. Mir war jedoch bewusst, dass ich eine bedeutende Persönlichkeit neben mir habe – einen der besten Geiger des 20. Jahrhunderts. Das hatten bereits alle Anwesenden seines ersten Konzerts begriffen, das er am 14. Januar 1932 im Haus seiner Eltern gab. Einer der Gäste hielt in seinem Tagebuch fest: „Wir gingen zum Konzert, einzig aus Achtung gegenüber seinem Vater. Danach wollten wir jedoch nicht nach Hause gehen – so beeindruckt waren wir vom enorm großen Talent des Kindes.“ Später lernte ich Yehudi Menuhin kennen. Er wusste was man über Wasko erzählte und dass man ihn als „Paganini des 20. Jahrhunderts“ und „Zweiten Menuhin“ bezeichnete.“

Alexander Abadschiew erzählte uns weiter, dass er im Haus von Dawid Oistrach Fotos vom denkwürdigen Violinwettbewerb in Lüttich 1937 gesehen habe, auf dem Oistrach den Ersten Preis gewann und Wasko Abadschiew „lediglich“ einen Sonderpreis erhielt, da er noch ein Kind war. Auf einem der Fotos wird die belgische Königin Elisabeth, nach der später dieser Wettbewerb benannt wurde, von den Teilnehmern umringt und auf einem weiteren Foto sieht man Wasko Abadschiew auf den Schultern von Dawid Oistrach. Nach dem Wettbewerbserfolg wurden das Wunderkind und seine Mutter, die ihn am Klavier begleitete, vom belgischen Hof, der politischen und Kulturelite Brüssels empfangen.

Alexander Abadschiew kann stundenlang über den Geigenvirtuosen, sein Leben und seine Erfolge erzählen und mit Sicherheit wird ihm das Publikum an diesem Sonntag mit großem Interesse zuhören... und sich natürlich an den Interpretationen des in Vergessenheit geratenen Geigers ergötzen.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Wiener Philharmoniker mit Gastauftritt in Burgas

Die Wiener Philharmoniker geben heute um 19:00 Uhr Ortszeit im Nationalen Kulturzentrums in Burgas ein Konzert, berichtet der BNR Burgas. Das Orchester wurde 2014 von Gerald Grünbacher gegründet, der auch das weltberühmte Mozart-Orchester..

veröffentlicht am 21.02.25 um 07:45

Die Kindergesangsgruppe „Karlovoice“ besingt Wassil Lewski

Obwohl wir Wassil Lewski als einen Heiligen verehren, gibt es nicht viele Volkslieder, die ihm gewidmet sind. Heute bieten wir Ihnen eines davon an - „Sage mir, Wald“, vorgetragen von den Kindern der Gesangsgruppe „Karlovoice“unter..

veröffentlicht am 19.02.25 um 12:30

Lynn Turner und Maria Iliewa - „Forever“

Der legendäre Rocksänger und Sänger von „Rainbow“ und „Deep Purple“ Joe Lynn Turner hat unseren Popstar Maria Iliewa als Duettpartnerin für seine neueste Single ausgewählt. Der Song „Forever“ hat eine spezielle Version mit einer Strophe auf..

veröffentlicht am 17.02.25 um 08:55