Während im Parlament darüber debattiert wurde, ob das Mehrheitswahlsystem in Bulgarien eingeführt werden solle, fanden in den vergangenen zwei Wochen in zwei bulgarischen Städten kommunale Volksbefragungen statt. Bulgarien hat keine großen Traditionen auf diesem Gebiet, doch es gibt hoffnungserweckende Beispiele für die direkte Meinungsäußerung der Bürger, wenn es darum geht, lokale Probleme zu lösen. Wie der Politologe Parwan Simeonow sagte: „Die kommunale Öffentlichkeit steht den Problemen am nächsten, kann sie sehen und fühlen und kann eine informierte Entscheidung treffen“.
Eine der jüngsten kommunalen Volksbefragungen fand in der westbulgarischen Stadt Tran statt. Dort wird seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Gold gefördert. Das Investitionsprojekt eines Unternehmens, das den Golderzabbau übernehmen wollte, sah vor, diesen auf eine Fläche von 19 Quadratkilometern auszudehnen. Eine der Lagerstätten befindet sich aber in unmittelbarer Nähe zu Schutzgebieten von „Natura 2000“ und die Abbautechnologie selbst erwies sich als alles andere als umweltfreundlich. Gegen das Projekt sprachen sich aktive Bürger aus, die eine Vereinigung zum Stopp der Vorhaben bildeten. Sie initiierte ein kommunales Referendum, das mit seiner hohen Beteiligung beeindruckt – 59,7 Prozent der wahlberechtigten Bürger von Tran gaben ihre Stimme ab. Das Ergebnis war überaus überzeugend: 90 Prozent von ihnen sprachen sich gegen den Goldabbau aus.
Daraufhin ließ der Investor das Projekt fallen und äußerte seine „Enttäuschung über die ungünstigen Investitionsbedingungen“. Obwohl die Bürger von Tran in einem der wirtschaftlich am meisten zurückgebliebenen Regionen Bulgariens leben, entschieden sie sich, dem Tourismus und der Landwirtschaft den Vorzug zu geben, anstatt schnellen Gewinn zu erzielen und dabei der Natur zu schaden. Und so wurde jüngst ein Reiseführer für die Region der Stadt Tran herausgegeben, in dem über 250 Sehenswürdigkeiten und 60 unterschiedliche Wanderrouten beschrieben werden. Die Umweltschützer appellieren an eine Entwicklung der Bio-Landwirtschaft in der Region, da die Bedingungen hierfür hervorragend sind.
Weniger aktiv zeigten sich die Bürger der mittelbulgarischen Stadt Stara Sagora, die über die Zukunft einer der Parkanlagen der Stadt entscheiden sollten. Da es sich um Grund und Boden handelt, der in den Zeiten des Sozialismus enteignet wurde, fand nach der Wende zur Demokratie 1989 eine Rückgabe an die Alteigentümer statt, die nun diese Flächen bebauen wollen. Dort stehen aber über 3.000 Bäume, von denen viele den urbanen Plänen weichen sollen und die Parkanlage selbst wird aufhören zu existieren. Von den stimmberechtigten Bürgern beteiligten sich lediglich 15,4 Prozent an der Volksbefragung, die damit keine Gültigkeit erlangt. Laut Gesetz müssen sich mindestens 40 Prozent an einem kommunalen Referendum beteiligen, damit seine Entscheidungen Beachtung finden. Die Schuld für das Scheitern der Volksbefragung in Stara Sagora wird der Gemeindeverwaltung als Organisator zugeschoben, die eine nur mangelhafte Informationskampagne durchgeführt hat. Auch die Frage selbst sei unklar und irreführend formuliert worden. Und dennoch sprach sich das Gros der Teilnehmer für einen Erhalt der bestehenden Parkanlage aus. Der Bürgermeister versicherte, dass er unabhängig von der geringen Beteiligung, den Willen der Bürger ernst nehmen werde.
Die bislang durchgeführten kommunalen Volksbefragungen decken einige Tendenzen auf. Erstens scheinen die Bulgaren immer größeren Wert auf das Umfeld zu legen, in dem sie leben. Und zweitens nimmt die Zahl der Teilnehmer an solchen Befragungen durch die Veranstaltung weiterer Referenden zu. Wie Diana Andreewa vom Forum für Bürgerinitiativen sagte: „Sie (die Referenden) finden stets zu konkreten Fragen statt, die die Menschen direkt betreffen. Ihre Ergebnisse können direkt verfolgt werden und die Menschen sind sich ihrer Folgen bewusster. Und das erhöht die Chance einer informierten Entscheidung.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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