„Die August-Sonne schien tief über die Gipfel des Sredna-Gora-Gebirges. Ihre Strahlen ließen die altehrwürdigen Gemäuer in Purpur aufleuchten und verliehen ihnen einen besonderen Ausdruck.“
Mit diesem Worten beschrieb der Patriarch der bulgarischen Literatur, Iwan Wasow, vor rund 130 Jahren den Kurort Hissarja. Er liebte es, in den frühen Abendstunden durch dieses kleine Städtchen am Fuße des Sredna-Gora-Gebirges spazieren zu gehen und sich an den einstigen römischen Festungsmauern zu ergötzen.
Bereits damals erkannte Wasow, dass dieser Ort zukunftsträchtig ist und hielt im Jahre 1897 fest: „Ich denke, dass die Thermalquellen von Hissarja Zukunft haben. Sie sind für diese Gegend eine wahre Wohltat… Es wird von den Menschen, also von uns, erwartet, dass wir gekonnt diese Naturreichtümer zu nutzen wissen.“
1882 gab die damalige Regierung Bulgariens eine „Verordnung zur Nutzung der Thermalquellen von Hissarja“ heraus, während in Plowdiw die ersten chemischen Analysen von fünf der Quellen durchgeführt wurden. Damit setzte man den Anfang der organisierten Balneologie in Bulgarien.
Rund ein Jahrhundert später (1993) entdeckten Archäologen monumentale Thermenanlagen, die von der Geschichte der Siedlung an den warmen Mineralwasserquellen als Kurort Zeugnis ablegen. Bereits in thrakischer Zeit stand hier ein Nymphenheiligtum. Als die Römer diese Gebiete der Balkanhalbinsel um das Jahr 46 eroberten, fiel der Ort in die Provinz Thrakien. Die badefreudigen Römer erkannten den Wert der hiesigen Thermalquellen und bauten bereits im 2. Jahrhundert eine ganze Bäderstadt.
Selbst Kaiser Diokletian (284-305) fand hier Linderung seines Nierenerleidens. Im Jahre 293 gab er dem Ort seinen Namen, der daraufhin Diokletianopolis hieß. Die Stadt wurde nach Philippopolis (heute Plowdiw) und Augusta Traiana (heute Stara Sagora) zur drittgrößten Stadt der Provinz Thrakien. Es entstanden eine kaiserliche Residenz, ein Amphitheater, Kasernen, umfangreiche Thermenanlagen und eine Festungsmauer mit 44 Türmen und 4 großen Toren. Auch ein Friedhof wurde angelegt, denn nicht allen half das heilbringende Wasser.
Nach dem Zerfall des Römischen Reiches existierte Diokletianopolis eine Zeit lang weiter als bedeutendes christliches Zentrum. Es folgten Einfälle von Goten, Awaren und Slawen, die das Leben in der Stadt auslöschten. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand auf den Ruinen der antiken und mittelalterlichen Gebäude eine neue Siedlung, die den Namen Hissarja erhielt, benannt nach dem arabischen Wort für „Festung“ – Hissar.
Bemerkenswert ist, dass die aus römischer Zeit stammenden Quelleneinfassungen, wie auch das antike Kanalisationsnetz in all den Jahrhunderten bis heute tadellos funktionieren; das Mineralwasser fließt nach eingehenden archäologischen Ausgrabungen und Konservierungsarbeiten erneut in die alten Bassins. Die erhaltenen Thermenanlagen stammen aus dem 4. Jahrhundert und nehmen eine Fläche von 3.000 Quadratmetern ein. Sie gehören zu den besterhaltenen antiken Badeanlagen in Europa.
Erste archäologische Untersuchungen erfolgten bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts; in neuerer Zeit wurden moderne Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten dank des Projekts zur Entwicklung der kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten der Gemeinde Hissarja durchgeführt. Den Besuchern wird die Möglichkeit geboten, das Mineralwasser in den aus römischer Zeit stammenden Becken zu genießen.
Neben den Thermen befinden sich auch andere Überbleibsel aus antiker Zeit in einem sehr guten Erhaltungszustand. Zu nennen ist eine Grabanlage aus dem 5. Jahrhundert. Zur Grabkammer, die reich mit Wandmalereien und Bodenmosaiken geschmückt ist, führt ein mehrere Meter langer Korridor. Laut den Archäologen ist das die einzige in Bulgarien entdeckte römische Grabanlage, die über ausgezeichnet erhaltene Mosaiken verfügt.
Der Kurort selbst wird von ausgedehnten Parkanlagen umgeben. Für die Gäste wurden etliche Ökowanderwege angelegt, die ausgezeichnete Blicke auf die Thrakische Tiefebene, die Rhodopen sowie das Rila- und das Sredna-Gora-Gebirge gewähren.
Unter den Sehenswürdigkeiten von Hissarja ist ferner die Villa Petrowitsch, die den Schriftstellern als Ferienheim dient. Das Haus atmet also bis heute den Geist der bulgarischen Schriftsteller, wie Jordan Jowkow und Dora Gabe. Ihre Geschichten heben wir uns jedoch für den nächsten Besuch in Hissarja auf.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Darina Grigorowa, BGNES und bg.wikipedia.org
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