Die Motive für ein Verbrechen haben oft nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun. Kriminelle Handlungen machen jedoch einen Teil unserer Realität aus. Zuweilen nehmen sie die Ausmaße organisierter Verbrechen an, weshalb sie eingehend erforscht und analysiert werden sollten. Und genau damit befasst sich die Forensik mit ihren Teilgebieten Rechtswissenschaft, Kriminalistik und Kriminologie. Die Forensik macht sich zur Aufgabe, kriminellen Delikten auf den Grund zu gehen und ihr Wesen zu durchleuchten. Kriminalisten und Kriminologen befassen sich mit der Suche, Identifizierung und Expertise materieller Spuren und erfahren dabei täglich, dass kriminelle Gehirne extrem erfinderisch sein können. Zu den Spitzenreitern im Bereich Forensik zählt die Fakultät für Rechtswissenschaften, Kriminalwissenschaften und öffentliche Verwaltung an der Universität Lausanne in der Schweiz. Dortige Experten wie beispielsweise der weltbekannte Kriminologe Prof. Pierre Margot beteiligten sich an einem gemeinsamen Schweizer-bulgarischen Projekt zur Steigerung der Kapazitäten der bulgarischen Kriminalisten beim Sammeln und Erforschen materieller Spuren am Tatort. Ende 2018 wurde in der Akademie des bulgarischen Innenministeriums ein modernes Labor zur Ausbildung von Experten im Bereich Kriminalistik eröffnet.
„Meiner Ansicht nach entspricht dieses Labor dem Stand anderer Laboratorien in Europa“, betonte Prof. Pierre Margot in einem exklusiven Interview für Radio Bulgarien. „Was Bulgarien angeht, ist vielleicht eine breitere Anwendung moderner Methoden und technischer Mittel zum Sammeln von Sachbeweisen in den Ermittlungsbehörden nötig. Denn es reicht nicht aus, über ein zentralisiertes Labor zu verfügen, falls das zusammengetragene Material minderwertig ist oder nicht den Forschungszwecken entspricht. Es ist gut, dass es an der Akademie beim Innenministerium eine Spezialausbildung in diese Richtung gibt.“
Das ist das erste Kooperationsprojekt zwischen Bulgarien und der Schweiz, bei dem Lehrkräfte von der Schweizer Schule für Kriminologie ihren bulgarischen Kollegen bei der Spezialausbildung helfen. „Ich bin der Ansicht, dass man diese Kontakte auch nach Abschluss des Projekts weiter pflegen wird“, meinte Prof. Margot und weiter:
„Die materielle Spur gehört zu den wichtigsten Elementen bei der Aufdeckung von organisierten Verbrechen oder großer Verbrecherbanden. Hier in Ihrem Laboratorium zum Beispiel gibt es eine ganze Abteilung zur Expertise von Dokumenten hinsichtlich Identität, klassifizierten Informationen und Sicherheit. Sollten wir jetzt beispielsweise in der Schweiz, Bulgarien, Deutschland oder Italien auf ein gefälschtes Dokument stoßen, das von ein und derselben Organisation stammt, dann verfügen wir bereits über Informationen über die kriminelle Gruppe. Derart können die Ermittlungen viel zügiger verlaufen und man kann sogar bis zu den Chefs der kriminellen Organisationen vorstoßen. Tatsache ist, dass man die materiellen Spuren lange Zeit unbeachtet ließ und zwar auf Kosten traditioneller Ermittlungen durch das Verhör von mutmaßlichen Tätern oder Zeugen. Das engt die Ermittlungen auf einen bestimmten Kreis von Personen ein, die vermutlich etwas bemerkt haben könnten, die vielleicht nicht gut gesehen haben oder lügen“, so Prof. Pierre Margot.
Seine Leidenschaft als Ermittler ist die Entdeckung physischer Spuren, die außerhalb des Beweisrahmens umfangreichen Verbrechen vorbeugen können. „Wir können zwar keine Wunder erwarten. Falls es uns aber gelingt, einer organisierten Verbrecherbande das Handwerk zu legen, bevor sie noch zugeschlagen hat, können wir Menschenleben, prominente Politiker oder Handelstätigkeiten retten“, meint der Schweizer Professor. „Wenn wir eine solche Erscheinung identifizieren, die kein isoliertes Verbrechen darstellt, gelingt es uns den Kasus viel leichter und schneller zu entwirren. Die Entwicklung der Systeme für kriminologische Erkundungen ist ein Feld für gegenwärtige und künftige Fortschritte“, ist Prof. Pierre Margot überzeugt.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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