Am 6. Dezember wird das Sofioter Opernhaus zum ersten Mal in Bulgarien das Musical „Die Elenden“ vorstellen. Es ist eine aufregende Geschichte, entnommen dem gleichnamigen Roman von Victor Hugo, der seit seiner Veröffentlichung im Jahre 1862 auf verschiedene Weise – als Theaterstück, Film oder Fernsehproduktion immer wieder aufs Neue interpretiert wird. 1978 schrieb der Komponist Claude-Michel Schönberg Musik zu diesem weltbekannten Roman, die zusammen mit Versen von Alain Boublil in einem Album erschien. Später überarbeiteten beide Künstler das Album und machten daraus ein musikalisches Bühnenwerk, das schnell populär wurde. Die erste Inszenierung erlebten „Die Elenden“ im Jahre 1980 in Paris. Es folgten Inszenierungen in London und New York. Das Musical verwandelt sich in einen Hit; Kritiker stufen es als „bestes Musical aller Zeiten“ ein.
Die Idee, das Musical auch in Bulgarien zu inszenieren kam unmittelbar nach seiner Uraufführung auf, musste jedoch viele Jahre auf eine Umsetzung warten. Der Intendant des Sofioter Opernhauses und gleichzeitig Regisseur der Inszenierung, Plamen Kartalow, teilte uns Einzelheiten mit:
„Die Zeit war nun einfach reif, die Idee endlich umzusetzen. Der Produzent Cameron Mackintosh hatte uns die Aufführungsrechte bereits 1987 gegeben; wir schlossen einen Vertrag ab und es wurde ein großes Vorsingen organisiert. Es meldeten sich über 200 Interpreten aus ganz Bulgarien – Opern- und Operettensänger, Popinterpreten, Film – und Theaterschauspieler. Wir stellten zwei Besetzungen auf, konnten jedoch nicht das Geld für die Sondermikrophone aufbringen. Heute klingt das absurd, denn heutzutage sind solche Mikrophone für jeden erschwinglich. Damals schienen wir der Zeit vorauseilen zu wollen. Heute, Jahrzehnte danach, muss ich sagen, dass ich sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit meinen Künstlern bin. Das sind der Popsänger Orlin Pawlow ( in der Rolle des Inspektors Javert), der Schauspieler und Musiker Wladimir Michajlow (Jean Valjean), die Jazz-, Pop- und Musical-Sängerin Wessela Deltschewa (Fantine), der Schauspieler Nikolaj Sotirow (Bischof) und die begabte Ani Wutowa (Cosette). Es sind viele... Wenn ich in eine dieser Rollen schlüpfen musste, würde sich die des Jean Valjean wählen – eine sehr emotionsgeladene Rolle. Ich muss aber zugeben, dass ich in meinem Alltag als Intendant eher in der Rolle des Inspektors Javert zu sehen bin, der streng das Gesetzt und die Disziplin hütet. Es sind zwei konträre, gleichzeitig aber stark beeindruckende Gestalten.“
Wie betrachtet der populäre Pop-Sänger Orlin Pawlow seine Teilnahme an den „Elenden“?
„Es ist eine große Herausforderung, auf der Bühne des Sofioter Opern- und Balletttheaters zu stehen. Ich arbeite übrigens das erste Mal mit Regisseur Kartalow und überhaupt mit einem Opernregisseur zusammen. Das ist das wohl aufwendigste Musical, das man in Bulgarien überhaupt sehen kann. Das Auswahlverfahren war sehr schwer, auch die Gesangspartitur ist keinesfalls leicht. Ich denke, dass die zwei Besetzungen wirklich gut sind, so dass das Publikum wirklich viele wundervolle Augenblick erleben wird. Ich spiele den „Javert“, was für mich eine weitere große Herausforderung ist. Javert ist davon überzeugt, dass er die „Hauptinstanz“ ist – der Hauptankläger und Richter - ein Mensch ohne Seele, dessen Aufgabe darin besteht, Ordnung durchzusetzen und den Helden Jean Valjean zu verfolgen. Er ist sozusagen ein „Anti-Held“. Es kommt jedoch der Augenblick, da er eine Wandlung erfährt, weil er sieht, dass der ehemalige Sträfling Herz hat und von edler Gesinnung ist. Das verstört ihn und bring ihn derart aus dem Gleichgewicht, dass er Selbstmord begeht. Meine Aufgabe besteht nun darin, der Düstere, Böse und Strenge zu sein... Das fällt mir schwer, denn im Leben bin ich ein ganz anderer Mensch. Die Arbeit mit dem Regisseur Plamen Kartalow, dem Dirigenten Igor Bogdanow und mit Swetoslaw Lasarow, der uns gesanglich vorbereitet sowie mit allen, die zum Gelingen der langerwarteten Inszenierung beigetragen haben ist für mich persönlich überaus nützlich.“
Das Interesse des Publikums ist ungemein groß und so sind allein für den Dezember insgesamt 8 Vorstellungen geplant; im Januar kommenden Jahres sollen sechs weitere folgen.
Fotos: BGNES
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