„Eine unmittelbare Gefahr für Bulgarien besteht bisher nicht. Aber wir alle zahlen den höheren Preis wegen des enormen Risikos, das an den internationalen Börsen mitberechnet wird". So kommentierte der Chefökonom am Institut für Marktwirtschaft, Latschesar Bogdanow, die steigenden Energiepreise. Bulgarischen Investitionen in Russland gebe es seiner Ansicht nach kaum. Die bulgarischen Exporte für Russland beliefen sich im vergangenen Jahr auf knapp eine halbe Milliarde Euro.
Die internationalen Sanktionen gegen Russland wirken sich bereits auf das russische Finanzsystem aus und das übertrage sich auf das tägliche Leben der russischen Unternehmen und Bürger, von der Abwertung der russischen Währung bis zur Unfähigkeit, Gelder ins Ausland zu transferieren.
Hinsichtlich der Neuordnung der Handelsbeziehungen zwischen Russland und Europa infolge der Sanktionen sagt der Experte, dass Europa vor allem bei Energierohstoffen, insbesondere Erdgas, von Russland abhängig ist.
„Aber selbst in diesem Winter beträgt die Abhängigkeit Russlands von Erdgas 27-28%. Das ist sogar ein Rückgang im Vergleich zu vorangegangenen Jahren als der Anteil des russischen Gas am Gasverbrauch in der EU etwa 40% betrug“, informiert Latschesar Bogdanow und weist darauf hin, dass die russische Wirtschaft stark davon abhängt, ihre Rohstoffe in Europa zu verkaufen. Insbesondere für Erdgas gebe es kaum Alternativen. Selbst China verfüge nicht über die Kapazität für den Transfer. Doch selbst wenn sie gegeben wäre, würden Gaslieferungen an einen einzigen Kunden für Russland ein politisches Risiko darstellen.
Welche wirtschaftlichen Risiken bestehen für Bulgarien? Die Preise für Erdgas und Öl steigen. Wird mit dem Krieg nicht spekuliert?
„Derzeit gibt es keine Unterbrechung der russischen Lieferungen nach Europa. Das ist natürlich eine politische Entscheidung. Der Preis für Brent-Öl ist an allen Börsen gestiegen, während der Preis für das russisches Gas Ural, aufgrund der Weigerung vieler europäischer Kunden, russisches Gas zu kaufen, gesunken ist. Dadurch steigen die Preise. Wenn der Konflikt gelöst wird, denke ich, dass es einen Preisrückgang geben wird“, vermutet Latschesar Bogdanow.
Bezüglich der Auswirkungen auf den bulgarischen Tourismus, sagte der Wirtschaftsexperte, dass die russischen und ukrainischen Touristen in den letzten Jahren zwischen 3% und 8% der Gesamtzahl der Touristen in Bulgarien gestellt haben. Der Beitrag von beiden Ländern beträgt jährlich 6,5% - 8% des gesamten Touristenzustroms. Während der Covid-19-Pandemie kam es bereits zu einer starken Reduzierung von Besuchen aus Russland, hauptsächlich im Zusammenhang mit den Anforderungen für grüne Zertifikate und Tests. Die Folgen für den Fremdenverkehr werden schwerwiegend sein, aber letztendlich machen diese Touristen nur 10% des gesamten Stroms ausländischer Touristen in unserem Land aus.“
In Europa gibt es bereits 1,5 Millionen Flüchtlinge. Bis zum 7. März sind 38.000 ukrainische Staatsbürger in Bulgarien eingereist, über 60% davon nur auf der Durchreise. Ist Bulgarien bereit, diesen für unsere Größe riesigen Menschenstrom zu bewältigen?
„Wir haben hier einen großen Widerspruch. Seit mehreren Jahren suchen Wirtschaftsverbände nach Möglichkeiten, die Aufnahme und den Zugang von Angehörigen von Drittstaaten zum bulgarischen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die Ukraine ist eines der Länder auf dem Arbeitsmarkt, in denen Arbeitskräfte angeworben werden können. Wir befinden uns jetzt in einer Situation, in der Flüchtlinge nach Bulgarien kommen, aber Bulgarien nicht darauf vorbereitet ist, selbst nachdem die EU beschlossen hat, den Flüchtlingen vorübergehenden Asylstatus mit dem Recht auf Arbeit einzuräumen. Bulgarien muss dringend Verfahren vereinfachen und den Menschen, die vor dem Krieg flüchten, die Möglichkeit bieten, ihrem Beruf nachzugehen und Teil der bulgarischen Wirtschaft zu werden“, fordert Latschesar Bogdanow.
Es wird behauptet, dass die Gesamtwirkung der Krise mittel- und langfristig viel größer sein wird. Was ist damit gemeint?
„Der Krieg hat der Sicherheit ihren Preis gegeben. Die Menschen in Europa haben in dem Glauben gelebt, dass Sicherheit eine Selbstverständlichkeit ist und man kein Geld ausgeben muss, um sich vor Angriffen zu schützen. Gleiches galt auch für die Energieabhängigkeit von einem staatlich dominierten Versorger. Das alles hat sich nun mit dem Ukraine-Krieg geändert. Europa muss umdenken und Bulgarien sehr schnell die Gasverbindung zu Griechenland bauen, damit wir eine alternative Gasquelle haben.“
Übersetzung: Georgetta Janewa
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