In Bulgarien wurden während der türkischen Fremdherrschaft viele Kirchen in Moscheen umgewandelt. Im Dorf Usundschowo bei Haskowo ist jedoch genau das Gegenteil passiert– dort wurde eine Moschee in eine Kirche umgewandelt. Heute ist das Gotteshaus „Mariä Himmelfahrt“ die größte Dorfkirche in Bulgarien. In ihrem Hof wurde früher die legendäre Usundschowo-Messe veranstaltet, deren Ruhm bis in den Nahen Osten und Nordafrika reichte.
Im Laufe von über zwei Jahrhunderten wurde das Dorf Usundschowo jeden Herbst zum klang- und farbenfrohen Treffpunkt von Vertretern naher und ferner Kulturen. Kaufleute aller Rassen lobten aus vollem Halse ihre Waren, die Tausende von Kilometern zurückgelegt hatten. Die Käufer feilschten passioniert, um den besten Preis auszuhandeln. Hier wurden große Geschäfte zwischen Konzernen und Großbauern aus ganz Europa abgeschlossen. Aber die Leute kamen auch, um Spaß zu haben. Zirkuskünstler, exotische Tiere und Artisten lockten begeisterte Zuschauer aus dem ganzen Reich an. Die Messe fand in der Nähe der heutigen Kirche „Mariä Himmelfahrt“ statt, die einst eine Moschee war.Es wird angenommen, dass die Messe 1593 vom Großwesir Sinan Pascha in Leben gerufen wurde. Als er einmal das Dorf passierte und eine flache Wiese in der Nähe der Ruinen einer alten christlichen Kirche sah, meinte er, der Ort sei perfekt, um hier ein großes Gasthaus zu errichten, wo Kaufleute und Reisende, die auf der sogenannten Konstantinopel-Straße unterwegs waren, übernachten können. Das erzählte uns Mitra Todorova, Chefexpertin im Touristeninformationszentrum in Haskowo und weiter:
„Und so ordnete er den Bau einer großen Karawanserei an, wo mehr als 2.000 Menschen übernachten konnten. Sie verfügte über 80 Feuerstellen, einen Stall für mehr als 1.000 Pferde und einen Uhrturm. Auf den Ruinen der alten Kirche hat Sinan Pascha eine große Moschee bauen lassen und entschieden, dass dies ein geeigneter Ort für einen Marktplatz ist, wo Waren aus ganz Europa und dem Orient vertrieben werden können. Die Messe in Usundschowo wuchs und in ihren besten Jahren, Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, wurde sie jeden Herbst von ca. 150.000 Menschen aus der ganzen Welt besucht“, erzählte Mitra Todorowa.
Während der Messe konnte man alle erdenklichen Waren kaufen. Hier haben die bulgarischen Rosenzüchter ihre Rosenölernte an den Mann gebracht. Hersteller von Besatzschnüren, Gerber, Messermacher, Tuchweber und sonstige Handwerker boten ihre Erzeugnisse in großen Mengen Kunden aus fernen Ländern an. Die Perser verkauften bunte Schals und Teppiche, die Briten Gewürze und Farbstoffe, die Italiener Glaswaren und Seidenstoffe, die Russen teure Pelze und Bücher usw. Darüber hinaus hatte jede Stadt oder Region ihren eigenen Marktplatz im Rahmen der Messe, wo neben Vieh auch … Sklaven verkauft wurden.
„Dort wurden die größten Deals zwischen den einzelnen Ländern über den Export von Getreide, Leder usw. abgeschlossen, d.h. über alles, wonach eine Nachfrage bestand und was die Länder untereinander austauschen konnten“, so Mitra Todorowa. „Das war auch eine Art Arbeitsbörse, weil dort zum Beispiel die Schulen ihre Lehrer für das Schuljahr engagiert haben. Feilgeboten wurde auf der Messe von Usundschowo alles, darunter auch Waffen. Selbst Wassil Lewski hat sie 1871 und 1872 heimlich besucht, um Waffen für den bevorstehenden Aufstand zu kaufen.“
Was ist vom einstigen Handelswunder in diesem Teil Europas übrig geblieben? So gut wie gar nichts, mit Ausnahme der einstigen Moschee, die später in eine Kirche umgewandelt wurde. Doch bereits bei ihrem Bau wurden dort Symbole verschiedener Religionen einbezogen. „Wahrscheinlich, damit die Besucher vorbeikommen und jeder zu seinem Gott beten kann“, vermutet Mitra Todorowa.
In den 1870er Jahren wurden im Osmanischen Reich rege bequeme Eisenbahnen gebaut, auch die Rolle der Seehäfen und Handelsschiffe nahm zu. Die Messe in Usundschowo geriet allmählich ins Hintertreffen. Das letzte Mal fand sie im Jahr 1876 statt.
Unlängst hat die Gemeinde Haskowo im Hof der Kirche eine Informationsausstellung organisiert, die dem einzigartigen Markt gewidmet war, mit der Idee, die Erinnerung an jene Zeit wiederzubeleben, als Usundschowo ein führendes Handelszentrum auf dem Balkan war.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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