Die drei Oppositionsparteien im bulgarischen Parlament (GERB, DPS, und Wasrazhdane) und „Es gibt ein solches Volk“, die erst vor Kurzem die Regierungskoalition verlassen hat, haben mit 125 Stimmen den Parlamentspräsidenten Nikola Mintchew abgesetzt. Damit hat die neue Mehrheit im Parlament ein klares Zeichen gesetzt, was in weniger als einer Woche bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag gegen die Koalitionsregierung von Kyrill Petkow passieren wird.
„Dass, was geschehen ist, hat eigentlich niemanden überrascht, es war voraussehbar. Genauso wenig wird das überraschen, was sich in einer Woche ereignen wird“, unterstreicht die stellvertretende Chefredakteurin der Zeitung „Sega“ Maria Stojkowa und erinnerte an 1992 als die Türkenpartei DPS die Regierung der Vereinten Demokratischen Kräfte zum Sturz brachte. Für die Journalistin ist es ein Déjà-vus, 30 Jahre später.Die Ereignisse in der Volksversammlung lösten eine blitzartige öffentliche Reaktion aus. Eine große Menschenmenge versammelte sich vor dem Parlamentsgebäude, um den abgesetzten Parlamentspräsidenten ihre Unterstützung zu bekunden. Die Aktion wurde auf Facebook unter dem Slogan: „Die Mafia hat Mintchew abgesetzt: Lasst uns das europäische Bulgarien ohne die Mafia verteidigen!“ organisiert. Die Demo dauerte bis nach Mitternacht und lief nicht ohne Spannungen ab.
Die Stimmung vor dem Parlament erinnerte an den Sommer 2020, als die Bulgaren auf die Straße gingen, um einen Regierungswechsel zu fordern. Es folgten drei Wahlen, bis eine Koalitionsregierung gebildet werden konnte, die auch heute noch regiert. In dieser Koalition wurden hohe Erwartungen gesetzt, vor allem, dass sie die Gegebenheiten im Land ändert.
Inzwischen erfolgte eine Umgruppierung im Parlament. Aus der Viererkoalition ist eine Dreierkoalition geworden. Ob das Neuwahlen verursachen wird, bleibt abzuwarten.
Die aufgebrachten Bürger vor dem Parlament waren sich in einem einig – sie haben die Spielchen im Parlament satt. „Dieses Votum war nicht gegen Nikola Mintchew gerichtet. Es war ein Test für die Abstimmung in der nächsten Woche gegen die Regierung, um zu sehen, ob die neue Mehrheit durchkommt", sagte ein Bürger auf der Straße. „Sie haben es getestet und sind damit durchgekommen. Offensichtlich müssen wir uns auf Neuwahlen vorbereiten“, sagte ein anderer.
Wann ist die Regierung "zerbrochen"?Der Politikwissenschaftler Tontcho Kraewski äußerte die Meinung, dass das in dem Moment passiert ist, in dem die Regierungskoalition begonnen hat, ihr Ziel zu realisieren, die bisherigen Machthaber von der Macht zu entfernen. In diesem Augenblick habe die neue Spaltung in der Politik begonnen. Es habe sich die gesamte soziale und weltweite Situation verändert. Die Differenzen, die führend waren, sind nicht mehr so relevant. An ihrer Stelle sind andere getreten - der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, die Streitigkeiten mit Nordmazedonien und die Aufhebung des Vetos, kommentiert der Politikwissenschaftler weiter und weist darauf hin, dass sie bei der Bildung der Koalition nicht abgesprochen werden konnten, weil niemand daran gedacht hat, dass sie die Gesellschaft so sehr beeinflussen würden.
Die gesetzgeberische Initiative der bisherigen Mehrheit habe laut Krajewski keinen sinnvollen Ausdruck gefunden. Die Regierung habe es versäumt zu erklären und auch in Gesetzen festzuhalten, wie sie sich die Null-Toleranz gegenüber Korruption vorstellt, außer anständige Leute in die Exekutive zu wählen. Allerdings stelle sich die Frage, wer die Ehrlichen sind.
Für die Journalistin Maria Stojkowa habe die politische Unerfahrenheit der Regierungspartei grundlegend zum Scheitern der Koalition beigetragen.
„Wenn es erfahrenere Politiker wären, hätte diese Koalition vielleicht überlebt, denn die Querelen der letzten zwei Wochen haben gezeigt, dass keine Koalitionsgespräche geführt worden sind. Sie hätten sich mehr Müge geben müssen, um die Koalition zu konsolidieren. Jetzt gibt es viele Spekulationen und es ist schwer, die Wahrheit herauszufinden, warum es zu der jetzigen Lage gekommen ist.“
Der Krieg in der Ukraine hat auch dazu beigetragen, weil er die Prioritäten für „Wir setzen die Veränderung fort“ und ITN neu geordnet hat. Die erreichte Energiediversifizierung Bulgariens, ist laut Stojkowa der größte Erfolg der Regierung, doch die Journalistin fürchtet, dass nachdem sie gestürzt wird, wir wieder zum Vertrag mit Gazprom zurückkehren werden.Das Energiethema wurde in den Hintergrund gedrängt und als Grund für den Zerfall der Regierungskoalition die Politik gegenüber Nordmazedonien in den Vordergrund gerückt. Das politische Sujet wird sich weiterentwickeln. Bis zur Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten wird ein Stellvertreter die Volksversammlung leiten, so sieht es die Geschäftsordnung vor. Das ist Miroslaw Iwanow von der größten Parlamentsfraktion "Wir setzen die Veränderung fort".
Er wird festlegen, wann die Debatte über das Misstrauensvotum stattfinden wird. Der letzte Termin wäre der nächste Mittwoch, der 22. Juni.
Redaktion: Elena Karkalanowa unter Verwendung eines Interviews von Diana Jankulowa, BNR-Horiozont
Übersetzung: Georgetta JanewaFotos: BGNES
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