Diese Wahlen seien kompliziert gewesen, weil auch die Situation kompliziert ist, gekennzeichnet duch eine drohende globale Rezession, hohe Inflation, den militärischen Konflikt … In dieser kritischen Situation haben die bulgarischen Politiker nicht aufgehört, die Wählerschaft mit sich selbst zu beschäftigen, anstatt nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Diese Meinung äußerte der junge Politologe und Magister für Krisenmanagement Nedeltcho Michajlow. Er lebt in Den Haag in den Niederlanden, wo er einen Abschluss in Politikwissenschaften gemacht hat, verfolgt aber aufmerksam die Situation in Bulgarien. Er ist der Meinung, dass diese Serie von Krisen den "perfekten Sturm" für einen tiefen Vertrauensverlust in die Politik und in den Wahlprozess bei unseren Landsleuten schaffe, was sich deutlich in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen niederschlägt, die übrigens die schwächste der letzten 32 Jahre war.
Diese Tendenzhabe aber ganz Europa und die gesamte westliche Welt erfaßt, vermerkt der Politologe und fügt hinzu, dass die vielen Krisen die Regierungen behindern und erschüttern. In den Niederlanden, in der Tschechischen Republik und vielerorts könne eine Destabilisierung festgestellt werden, sagte Nedeltcho Michajlow in einem I nterview für Radio Bulgarien.
„In Bezug auf die Außenpolitik wird sich die Orientierung Bulgariens zur EU und NATO nicht verändern. Im neuen Parlament wird es nur wenige offen erklärte Russophile geben, sie werden eine Minderheit sein“, betont der Politologe und weist darauf hin, dass auch in Europa die Ergebnisse der Mitte-Rechts-Parteien tendenziell steigen. „Nehmen Sie zum Beispiel Italien oder Schweden. Die Wähler von "Wasrazhdane" seien vom politischen System enttäuscht. Ihre Wahl sei eine Art Protest gegen das System gewesen, ebenso wie es bei der vorletzten Wahl im vergangenen Sommer mit den Stimmen für die Partei „Es gibt ein solches Volk“ (ITN) gewesen sei, deren Ergebnis bei dieser Wahl katastrophal ausgefallen ist.
„Die Abstimmung am 2. Oktober hat eindeutig gezeigt, dass sich die außenpolitische Ausrichtung des Landes nicht wesentlich ändern wird, da die euro-atlantisch orientierten Parteien die größte Unterstützung erhalten haben“, unterstreicht Nedeltscho Michajlow und fügt hinzu, dass die wachsende Zahl der Wähler von "Wasrazhdane" ein Hinweis darauf ist, dass die Russophilie in Bulgarien zwar einen Kern habe, der aber bei weitem nicht so groß ist, wie vor den Wahlen vermutet wurde.
Das Kräfteverhältnis im neuen Parlament bleibt erhalten, es gibt keine wesentlichen Verschiebungen in den Parteikonstellationen, aber die Initiative liegt diesmal in den Händen von GERB, die mit über 25 % die Stimmen die Wahl gewonnen hat, sagt der Politologe. Die geringe Wahlbeteiligung zeige eindeutig, dass der bulgarische Wähler wahlmüde ist. Er wolle, dass der Staat nach zwei Jahren mit vorgezogenen Wahlen, Fehlschlägen und Querelen endlich zu funktionieren beginnt. Die Bildung einer Regierung innerhalb des neuen Parlaments scheint eine „Mission impossible“. Dennoch spekuliert der Politologe mit gewissen Chancen.
„Eine Möglichkeit wäre eine Minderheitsregierung mit „schwebenden“ Mehrheiten, auch wenn sie instabil sein würde. Denn offiziell wird es schwierig, eine Koalition einzugehen. Wir haben bei den Wahlen gesehen, dass GERB und die DPS ihre Wählerschaft behalten haben und dennoch kann nicht behauptet werden, dass sie gesiegt haben. Für eine tragfähige euro-atlantische Koalition wäre der Beitritt auch von "Demokratisches Bulgarien" und „Wir setzen die Veränderung fort“ nötig, die aber erklärt hat, dass es keine Koalition mit GERB geben wird. Deshalb wird eine Koalition, falls eine solche zustande kommt, eine Koalition der „schwebenden“ Mehrheiten sein. Das wäre für die Parteien, die ihre Wähler nicht verlieren wollen, die beste Lösung, einen Schritt zurücktreten und sich an den Verhandlungstisch setzen“, sagte abschließend Nedeltcho Michajlow.
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: Archiv von Nedeltscho Michajlow
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