„Ich werde wohl kaum etwas Neues sagen, was die Hoffnungen aller Bulgaren auf der ganzen Welt nach diesen Wahlen angeht. An erster Stelle wollen wir, dass es die vorerst letzten sind, d.h. wir wollen, dass eine stabile Regierung gebildet und diesem Teufelskreis aus aufeinanderfolgenden Wahlen ein Ende gesetzt wird“, sagte in einem Interview für „Radio Bulgarien“ Filli Ladgman, Leiterin der bulgarischen Abteilung des Australischen öffentlichen Rundfunks SBS, der auf eine 46-jährige Geschichte zurückblickt und ein großes Publikum auf dem Kontinent hat. Nach Ansicht der bulgarischen Journalistin sind die Menschen sehr müde. „Innerhalb von zwei Jahren haben wir fünfmal gewählt. Das bringt weder das Land weiter, noch die Menschen, die dort leben. Es sorgt für Ausweglosigkeit und Resignation“, ist Filli Ladgman überzeugt. Ihrer Meinung nach war die Situation am Tag nach den Wahlen absolut unvorhersehbar:
„Was im Moment passiert, ist schwer vorherzusagen. So oder anders ist es aber wie in der Vorhölle. Denn wir wissen nicht, welche Richtung das Schiff unseres Staates ansteuern wird. Das ist aber von essentieller Bedeutung, denn sie bestimmt, wohin sich Bulgarien orientieren wird. Es geht nicht nur um Stabilität in Bezug auf unsere Wirtschaft, sondern auch um Stabilität in politischer und geopolitischer Hinsicht.“
Eines der Hauptthemen in diesem Wahlkampf war die euro-atlantische Ausrichtung Bulgariens vor dem Hintergrund eines tobenden militärischen Konflikts. Debatten über die europäische Solidarität, die Frage, ob die Ukraine mit Waffen unterstützt werden soll und die Frage, wer die Schuld am Krieg trägt, haben die Gemüter bis zum Äußersten erhitzt und haben zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft geführt. Welche Haltung wird die neue Regierung einnehmen? „Es besteht eine reale Möglichkeit, dass sich das Land wieder Russland zuwendet. Und wir wissen auch, dass die Möglichkeit besteht, dass es ein absolut loyales und aktives Mitglied der EU bleibt. Aber welche Richtung Bulgarien nach den gestrigen Wahlen einschlagen wird, ist schwer vorherzusagen“, meint Filli Ladgman. Was sind ihre Erwartungen nach den Wahlen?
„Als Auslandsbulgarin erwarte ich, dass Bulgarien in der EU bleibt, dass es einen Weg findet, seine Wirtschaft zu stabilisieren und sich den EU-Kriterien anzupassen, um die Korruption einzudämmen, eine gute Reform der Wirtschaft im Bereich der Renten und in allem durchzuführen, was das Leben der Menschen leichter und glücklicher macht.“
Was hindert uns Bulgaren daran, ein normales Parlament zu wählen, das in der Lage ist eine funktionierende Regierung aufzustellen, die es vermag, das Land aus der Sackgasse zu führen?
„Was uns daran hindert und woran es uns am meisten mangelt, ist bürgerliches Engagement. Es besteht Apathie in der Gesellschaft, Desinteresse, Verzweiflung! All das tötet den zivilgesellschaftlichen Aktivismus. Denn ein echtes zivilgesellschaftliches Engagement würde zu Wahlen führen, bei denen die Menschen tatsächlich sagen, was sie wollen und wen sie wählen würden, um sie zu regieren. Leider ist die geringe Wahlbeteiligung der Grund dafür, dass Leute ins Parlament einziehen, die sich nicht für den Fortschritt des Landes, sondern für ihre persönlichen Interessen einsetzen. Und genau da liegt das Problem“, so Filli Ladgman abschließend.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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