Das Georgskloster liegt 24 km nordöstlich der Hauptstadt Sofia, oberhalb des Stadtteils Kremikowtzi, an den Südhängen des Stara-Planina-Gebirges inmitten herrlicher Natur. Im Mittelalter zählte es zu den 14 Klöstern des Klosterkomplexes "Heiliger Sofioter Berg". Der Legende nach soll das Kloster im 14. Jahrhundert von Iwan Alexander, einem der letzten bulgarischen Herrscher des Zweiten Bulgarischen Reiches, errichtet worden sein. Später wurde es von den osmanischen Eindringlingen, vermutlich nach der Eroberung der nahe gelegenen Festung, zerstört und 1497 - also einhundert Jahre später - vom Bojaren Radiwoj aus Sofia wieder aufgebaut. Nach dem Dragalewski-Kloster ist das Georgskloster das zweite wiederhergestellte Kloster des "Heiligen Sofioter Berges". Das Vorhaben wurde vom Sofioter Metropoliten Johann Kalevit unterstützt, der 1493 die dem Heiligen Georg dem Siegreichen gewidmete, neue Klosterkirche weiht. Seitdem floriert in den heiligen Gemäuern das geistige Leben.
Das betagteste Gebäude der Klosteranlage ist die aus Stein und Ziegeln erbaute Georgskirche. Das Tageslicht dringt durch drei enge Fensteröffnungen vor. Neben den Fresken ist besonders das Stifterportrait von hohem künstlerischem Wert. Die Portraitaufschrift verkündet, dass der wohlhabende örtliche Bojar Radivoj die Kirche erneuert und ausgemalt hat. Verwirklicht wurde dieses Vorhaben in Gedenken an seine im Jahr zuvor verstorbenen Kinder Todor und Dragana, die offenbar der Pestepidemie im Raum Sofia zum Opfer gefallen waren. Aus diesem Grund sind sie auf dem Stifterportrait mit gefalteten Händen, also als Verstorbene abgebildet. Eine andere Legende erzählt, dass die Kinder nach ihrer Rückkehr aus Mekka an dem fürchterlichen Leiden erkrankt seien. Bei Restaurationsarbeiten im Hauptraum der Kirche wurden 1987 vier Gräber von drei- bis neunjährigen Kindern freigelegt, von denen zwei vermutlich die Kinder von Radivoj waren. Auf dem Stifterportrait sind zudem die Gattin des Bojaren - Teodora sowie der Sofioter Metropolit Kalevit abgebildet.
Knapp vier Jahrhunderte lang wurden im Kloster die sterblichen Überreste des am 10. Februar 1515 im Namen des christlichen Glaubens verstorbenen Georgi Novi Sofijski aufbewahrt, der später heilig gesprochen wurde. Einer alten Überlieferung nach wurden sie von einem Schafhirten gefunden. Über der verkohlten Leiche soll ein "heller Stern" geleuchtet haben. Die Reliquie war über 30 Jahre lang im Besitz des Hirten. Eines Nachts erschien ihm der heilige Georg und befahl ihm, diese in das Kremikowtzi-Kloster zu bringen. Die in Gold und Silber gefasste Reliquie wurde bereits im 18. Jahrhundert in einem hölzernen Schrein aufbewahrt. Später kamen sie in einen speziell angefertigten Silberschrein mit einer dünnen vergoldeten Deckplatte, die mit einer Öffnung versehen war, durch die man die Reliquie sehen konnte. Die Reliquie des heiligen Georgs von Sofia verwandelte das Kloster für die Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern zu einem heiligen Ort. Wie erhaltene Klosterbücher berichten, suchten hier auch Menschen aus entfernten Gegenden Genesung und Seelenheil. Jahrhunderte später brachten die 1952 aus dem Kloster vertriebenen Nonnen die Reliquien in das Dragalewtzi-Kloster, wo sie bis heute aufbewahrt werden.
Auch in der Zeit der bulgarischen Wiedergeburt kam dem Kremikowtzi-Kloster eine wichtige Rolle zu. Hier wurden Handschriften ausgetauscht und Schriftgelehrte ausgebildet. Besonders interessant ist das berühmte Viererevangelium von Kremikowtzi, eine wertvolle Handschrift von 1497, in der das Werk des Patriarchen von Tarnowo - Ewtimi weiterlebt. Heute befindet sich das Evangelium im Kirchenmuseum für Geschichte und Archäologie in Sofia. Das Ewangelium enthält 307 sorgfältig, in großer Schrift gefasste Seiten mit kunstvollen Illustrationen. Lange Zeit diente es für die Gottesdienste im Kloster. Im 16. Jahrhundert wurde das Evangelium in Silber gefasst und mit Gold verziert. Zudem beherbergte die Klosterbibliothek ein Evangelium von 1579 des Popen Johann von Kratov mit reichhaltiger Goldverzierung. Ein weiterer interessanter Klostergegenstand war ein steinerner Leuchter aus dem 15. Jahrhundert in Form einer Säule. Gefertigt wurde er von Meister Wutscho, der offenbar ein Verwandter des Klosterstifters war. Eine Inschrift in der Mitte des Leuchters gab Auskunft über das Herstellungsdatum und den Auftraggeber.
Gleich anderen geistigen Zentren engagierte sich auch das Kremikowtzi-Kloster im Befreiungskampf der Bulgaren gegen die osmanische Fremdherrschaft. Eine Gedenktafel am Eingang verkündet, dass nach der Zerschlagung der Freischar von Botew im Juni 1876 hier der zweite Mann der Truppe - Dimitar Stefanow mit dem Beinamen Kosak - Unterschlupf fand. Als die Türken davon erfuhren, forderten sie seine Auslieferung. Der damalige Abt Hadschi Avxentij versteckte den Freiheitskämpfer kurzerhand in einer Baumhöhle im Wald, wo ihn die türkischen Verfolgungstrupps einige Tage später entdeckten und töteten. Am Ort seines Ablebens wurde 1912 ein Denkmal errichtet und später zum Kulturdenkmal erklärt.
Nach der Befreiung Bulgariens war das Kremikowtzi-Kloster fast ununterbrochen von Mönchen bewohnt. 1879 treffen hier aus Maleschewsko in Mazedonien geflüchtete Nonnen ein, die zur weiteren Belebung und Popularisierung des Klosters beitragen. 1901 wird auf dem Klosterhof der Grundstein für den Bau einer großen neuen Kirche gelegt. 1907 wird das Gotteshaus "Schutzmantel der Allerheiligsten Muttergottes" geweiht. Die majestätische Kirche beeindruckt mit herrlichen Schnitzereien und einer meisterlichen Muttergottes-Ikone.
Bis 1947 leben hier 32 Nonnen, die sich der Landwirtschaft und Viehzucht widmen. In den Jahren 1952-53 werden die heiligen Gemäuer von einem Garderegiment vereinnahmt, das hier einen Bunker anlegt. Die Soldaten werden in den Klostergebäuden untergebracht. Ein Teil der Gebäude brennt ab, die Kuppel der neuen Kirche ist von Kugeln durchlöchert, ihre Fenster eingeschlagen... In der alten Kirche mussten zahlreiche Fresken einer Gipsschicht weichen. Einige der vertriebenen Nonnen finden im Dragalewtzi-Kloster Unterschlupf. Die Militärs nehmen das Kloster 18 Jahre lang in Beschlag. In der Folgezeit kommen Bauarbeiter und Schützlinge von Handwerkerschulen hier unter.
Um 1970 kehrt ein Teil der Nonnen in das Kloster zurück und baut dieses wieder auf. Heute wird das Kloster von vielen patriotischen Privatpersonen und Unternehmen finanziert. 1980 beginnt man mit der Restauration der alten Klosterkirche, die 2003 abgeschlossen wird. Am 18. Januar 2010, am Tag des Antonius des Großen, wird eine dem Heiligen gewidmete, neue Kapelle eingeweiht.
Heute werden in der kleinen Klosterkirche keine Gottesdienste mehr abgehalten. Allerdings wurde sie auf der Westseite kürzlich um eine gläserne Vorhalle erweitert. Das Kloster erfreut sich regen Zulaufs. Vor allem von Gläubigen aus Kremikowtzi, den umliegenden Dörfern und Sofia. Seinen Festtag begeht das Kloster am Georgstag. Dann verteilt man hier Opferlammsuppe. Auch an Mariä Himmelfahrt am 15. August wird im Kloster gefeiert und ein Schlachtopfer dargebracht.
1969 wurde die altehrwürdige Klosterkirche zum Kulturdenkmal erklärt. Heute ist das funktionierende Kloster täglich für Besucher geöffnet. Auch finden hier regelmäßig Gottesdienste statt. Die gepflegte Klosteranlage inmitten herrlicher Natur ist für Sofioter und Menschen aus der Umgebung ein beliebtes Ausflugsziel, zumal der Klosterhof mit einem herrlichen Ausblick auf die Sofioter Hochebene aufwartet.
Übersetzung: Christine Christov