„Wir warten auf einen Politiker, der imstande ist, sich metaphorisch, packend, überraschend und zugleich auch exakt und konkret auszudrücken“. Das sagte in einem Interview für Radio Bulgarien Doz. Nadeshda Staljanowa mit Blick auf das Buch „Sprachportraits bulgarischer Politiker und Journalisten - Teil 2“, das sie zusammen mit Dr. Wladislaw Milanow verfasst hat. Staljanowa und Milanow sind am Lehrstuhl für Bulgaristik an der Sofioter Universität „Hl. Kliment Ochridski“ tätig und gehören zu den Mitbegründern des Zentrums für politische und Journalistensprache. Auch im zweiten Band stellen sie ausgewählte Äußerungen gegenwärtiger bulgarischer Politiker vor.
„Das Vokabular der bulgarischen Politiker ist stark polarisiert. Auf dem einen Pol sind jene, die viele Klischees und abstrakte Begriffe benutzen, die wir als „Brüsseler Neusprache“ bezeichnen. Es handelt sich dabei um eine institutionelle Sprache, die wenig Informationen enthält. Es gibt bulgarische Abgeordnete, die nicht nur den Wählern, sondern auch ihren Kollegen ihre intellektuelle Überlegenheit demonstrieren wollen. Das macht keinen guten Eindruck, weil sie hinter den vielen Worten entweder etwas verbergen oder einfach nichts zu sagen haben. Auf dem anderen Pol ist die Sprechweise im niedrigen Stilregister. So spricht man, wenn man unter Freunden ist oder sich bei inoffiziellen Anlässen unterhält. Wir Linguisten empfinden diese Sprechweise als inadäquat. Hinter ihr steckt die Strategie „auch ich bin einer vom Volk, eure Probleme sind mir nicht fremd – vertraut mir, ich kann sie lösen“. Was mir fehlt, ist die goldene Mitte - Politiker, die klar, deutlich und verständlich sprechen und imstande sind, auf konkrete Fragen der Journalisten und Wähler konkrete Antworten zu geben. Es fehlt uns die goldene Mitte, von Rhetorik ganz zu schweigen. Wir warten immer noch auf eine politische Sprache, die uns nicht unbedingt überzeugen muss, uns auf die Seite der Sprechers zu stellen, die aber durchaus unser positives Interesse wecken kann.“
Im neuen Buch stellen die Autoren weitere Sprachportraits populärer bulgarischer Politiker vor. Es enthält auch Interviews mit bulgarischen Schauspielern, Dichtern, Sportlern, Journalisten und Dolmetschern, wobei der Fokus auf der politischen Sprache liegt.
Sind die bulgarischen Politiker „Lost in translation“? Laut der Dolmetscherin Mariana Hill „kann sich der bulgarische Politiker selbst in der Übersetzung verlieren. Es gibt Politiker, die die Dolmetscher an ihre Grenzen bringen, da sie nicht wahrhaben, dass es bei unserer Arbeit nicht allein um die Übersetzung von Sätzen geht, sondern um die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Kulturen, Mentalitäten, Denkweisen.“ Elena Krejtschowa, die auf Regierungsebene in Tschechien dolmetscht, meint dazu: „Oft verlieren die bulgarischen Politiker aus den Augen, dass ihre Rede übersetzt werden muss und lassen sich zu langatmigen Äußerungen verleiten, die sich bei einer Konsekutivübersetzung nicht adäquat wiedergeben lassen. Ohne sich dessen bewusst zu werden, können sie sich selbst dabei einen schlechten Dienst erweisen, denn sie laufen Gefahr, nicht verstanden oder missverstanden zu werden, da der Dolmetscher außerstande ist, sich eine Äußerung weit über eine Minute zu merken und auch adäquat zu vermitteln.“
Konferenzdolmetscherin Nicola Wermaut arbeitet für zwei wichtige EU-Institutionen – für die Europäische Kommission und den Ministerrat, wo die Verhandlungen einer bestimmten Routine folgen und sich vornehmlich um einige wenige spezifische Themen drehen: „Ich arbeite nicht für das Europäische Parlament und somit brauche ich nicht die hitzigen Reden von Politikern zu übersetzen, die ihren Wählern gefallen wollen. Es ist schwer, zuweilen sogar unmöglich, die Äußerung eines Politikers zu übersetzen, falls es sich dabei um eine Rede handelt, die ohne die nötige Intonation und schnell vom Blatt verlesen wird. Egal ob es sich dabei um einen Bulgaren handelt oder nicht, wenn die Darlegung in einem vernünftigen Tempo erfolgt und dabei wenigstens zum Teil improvisiert wird, kann der Dolmetscher die Botschaft richtig und geistreich wiedergeben.“
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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