Bulgarien beteiligte sich auch diesmal an der sogenannten „European Researchers’ Night“, die in diesem Jahr am 25. September stattfand. Außer Sofia schlossen sich der „Nacht der Wissenschaft“ auch andere Großstädte an, darunter Plowdiw, Warna, Burgas, Russe und Stara Zagora. Europaweit waren es über 300 Städte. Ziel der unterschiedlichen Veranstaltungen war und ist, einzelne Bereiche und die Möglichkeiten der Wissenschaft zu popularisieren. Unter den Organisatoren in Bulgarien waren neben dem British Council als Koordinator auch die Bulgarische Akademie der Wissenschaften und etliche Universitäten des Landes.
Auch die Nationalgalerie „Quadrat 500“ in Sofia nahm rege teil und in ihren Räumen fanden verschiedene Vorführungen und Vorlesungen statt. Besonders interessant war die Präsentation des stellvertretenden Sofioter Bürgermeisters zu Kulturfragen Dr. Todor Tschobanow, der vom Fach Archäologe ist. Er stellte einige Geheimnisse der antiken Stadt Serdika, wie Sofia in römischer Zeit hieß, vor.
„Unmittelbar vor der Basilika „Heilige Sophia“ befindet sich die wohl wichtigste Gruft, die die Archäologen in unserer Stadt entdeckt haben“, erzählt Dr. Tschobanow. „Sie ist einzigartig und von großer Bedeutung für die Stadtgeschichte, weil in ihr eine Inschrift erhalten ist, die sich auf eine konkrete Person bezieht. Es handelt sich um das Grab des Honorius, der, wenn man die Inschrift richtig deutet, Bischof gewesen ist. Als er, vermutlich hochbetagt starb, errichteten ihm die Bürger der Stadt dieses Grabmal. Die Inschrift ist auch aus einer anderen Hinsicht interessant, weil sie ein seltenes Beispiel für die Mischung zwischen Griechisch und Lateinisch ist. Das ist ein Hinweis darauf, dass im 5. und 6. Jahrhundert in der Stadt eine Vermischung beider Sprachen stattgefunden hat.“
Der stellvertretende Sofioter Bürgermeister zu Kulturfragen ging in seinen Ausführungen auch auf archäologische Objekte ein, an denen derzeit gearbeitet wird. Im kommenden Jahr sollen die Ausgrabungsarbeiten am Westtor der Stadtmauern abgeschlossen werden, das erstmals in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts freigelegt wurde. Unter den bemerkenswerten Funden ist ein Bodenmosaik, das einst eine große Basilika schmückte, die Imperator Konstantin der Große in Auftrag gegeben hatte. Es liegt die Vermutung nahe, dass darin das große Kirchenkonzil des Jahres 342 durchgeführt wurde, das den religiösen Frieden im römischen Reich sichern sollte. Laut Geschichtsquellen trafen sich 316 Bischöfe, begleitet von einer Reihe von Würdenträgern, in der Stadt. Der Versammlungsraum musste entsprechend groß genug sein, um allen die Teilnahme zu ermöglichen. Einzig eine Basilika mit diesen Ausmaßen kam in Frage.
Und noch eine interessante Einzelheit: seit der Antike, also mindestens seit 3.000 Jahren, befindet sich das Zentrum der Stadt an ein und derselben Stelle. Heute erhebt sich südlich des Hauptplatzes die Kirche der heiligen Nedelja. Bei den jüngsten Ausgrabungsarbeiten stieß man jedoch nicht auf den darunter vermuteten Hauptplatz der einstigen antiken Stadt, sondern auf die Überreste eines gewaltigen Bauwerks – vermutlich des Palastes des Imperators Konstatin, der zeitweilig in Serdika residierte. In den Trümmern wurde auch ein Schatz entdeckt, der aus fast 3.000 Silbermünzen besteht und der größte ist, der je in Sofia entdeckt wurde.
Sofia ist einer der ältesten Siedlungsplätze Europas und kann auf eine mehrere Jahrtausende alte Geschichte zurückblicken. Auf Grund ihrer Lage war die Stadt stets ein administratives und geistiges Zentrum. Der thrakische Stamm der Serden hatte hier seine Hauptstadt und als die Römer die Balkanhalbinsel für sich eroberten, richteten sie hier die Provinzhauptstadt des Inneren Dakien ein. Daher werden ständig bedeutende Funde gemacht, die nicht nur Auskunft über die Stadtgeschichte geben. Sofia ist aber auch eine lebendige Stadt, in der ständig gebaut und entsprechend ältere Bausubstanz abgerissen wurde und wird. Daher haben es die Archäologen und Stadtplaner nicht immer einfach, Alt und Neu unter einem Hut zu bringen.
Deutsche Fassung: Wladimir Wladimirow
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