Es ist höchste Zeit, dass die Politisierung von Projekten im Energiebereich aufhört. Diese Meinung vereinte Energieexperten aus Bulgarien, der Türkei, Serbien und Russland, die sich in der bulgarischen Hauptstadt Sofia an einer Diskussionsrunde über die Entwicklung der Gas-Projekte auf der Balkanhalbinsel beteiligten.
Dimitar Sterew, Chefexperte des bulgarischen Betreibers von Erdgasübertragungs- und Speichersystemen „Bulgartransgaz“, stufte die in Bau befindliche Gas-Pipeline „Turkish Stream“ als wichtig für Bulgarien und dessen Wirtschaft ein. Seiner Ansicht nach könne Bulgarien über die geplante Verlängerung dieser Pipeline die eingebüßte Transitbeförderung wieder aufnehmen. Sterew erinnerte daran, dass das Gas für Bulgarien ab dem 1. Januar kommenden Jahres aus Richtung Türkei kommen und ein Teil weiter in Richtung Serbien gepumpt werden wird.
Der ehemalige Wirtschafts- und Energieminister Rumen Owtscharow kommentierte, dass Bulgarien als allererstes eine langfristige Energiepolitik formulieren müsse, anstatt, dass jede Regierung wieder von neuem beginne. In einem Interview für Radio Bulgarien gab Owtscharow zu, dass Bulgarien wegen seiner kurzsichtigen Politik mit dem Scheitern des Projekts „South Stream“ viel verloren habe:
„Die Türkei hat im Unterschied zu Bulgarien ihre Karten gut ausgespielt. Das, was Bulgarien verloren hat, wird jetzt über die Türkei gehen. Bulgarien, das gern zum Energieverteiler der Balkanhalbinsel werden wollte, wird diese Rolle wohl oder übel der Türkei überlassen müssen.“
Owtscharow brachte die Großprojekte, wie „Nabucco“, „South Stream“ und KKW „Belene“ in Erinnerung, die Bulgarien in ein Energiezentrum des Balkans verwandeln sollten, und kam auf die politischen Hintergründe ihres Scheitern zu sprechen:
„Bulgarien war ein Energiezentrum und alle waren auf uns neidisch. Leider wurde aus den Projekten nichts, weil einerseits nicht gut durchdachte politische Entscheidungen getroffen wurden und andererseits sich Bulgarien einem geo-politischen Druck beugte. Anstatt, dass nun das Erdgas aus Bulgarien in Richtung Türkei fließt, kommt es künftig aus der Türkei nach Bulgarien.“
Volkan Özdemir, Vorsitzender des türkischen Instituts für Energiemärkte und Politiken (EPPEN), akzentuierte ebenfalls auf die politischen Nuancen bei den großen Energieprojekten:
„Bulgarien hat sich vor 5 Jahren dem Druck der Europäischen Union gebeugt und das South-Stream-Projekt fallen gelassen. Der Türkei kam das zugute, weil so das Projekt „Turkish Stream“ geboren wurde. Falls sich nun Griechenland und vor allem Bulgarien erneut einem Druck der EU beugen und auf die Nutzung von Erdgas aus der geplanten Verlängerung „Turkish Stream 2“ und einer Beteiligung an diesem Projekt verzichten sollten, werden die Balkanländer große Konflikte zwischen ihren eigenen nationalen Interessen und den Auflagen Brüssels erleben. Um diese Kontroversen auf ein Minimum zu reduzieren, muss man auf die EU vielleicht nicht allzu wörtlich hören.“
Die Türkei und Russland arbeiten eng zusammen, damit das Projekt „Turkish Stream“ verwirklicht und für die Energiesicherheit auf der Balkanhalbinsel und Südosteuropa gesorgt wird, meinte Özdemir und betonte, dass die Energiesicherheit eine teure Angelegenheit sei.
Auch Alexei Grivach, stellvertretender Direktor des russischen Fonds für nationale Energiesicherheit, sieht das grundlegende Problem der Gasmärkte Europas und des Balkans in der Politisierung der Projekte. „Das Erdgas Russlands ist eine Möglichkeit für Europa, seine Energiequellen zu diversifizieren“, meinte er entschieden und setzte fort:
„Der Gashandel ist ein langfristiges Geschäft. Für seine Entwicklung sind Jahrzehnte notwendig; die Ergebnisse werden nicht von heute auf morgen sichtbar. Zur Entwicklung dieser Projekte sind großes Vertrauen, politischer Wille und gute Infrastruktur notwendig“, unterstrich Grivach in einem Interview für Radio Bulgarien.
Die Chefredakteurin des serbischen „Balkan Magazins“, Eliza Putniković, kommentierte ihrerseits, dass „Turkish Stream“ ein wichtiges Industrieprojekt für Serbien darstelle, das ihrem Land in Zukunft die nötige Energiesicherheit geben werde.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Sevda Dükkancı
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