„Unser Streben nach Gegenüberstellung koset unserer Gesellschaft Unmengen an Energie. Ich möchte alle Menschen anhalten, devoter zu sein und die Meinung anderer zu akzeptieren. Konfrontation begünstig in keinerlei Weise zu eine höhere psychische Belastbarkeit.“
Aus dieser Sicht betrachtet der Lehrer an der Militärakademie „G.S. Rakowski“ Todor Dimitrow die aktuelle Situation in Bulgarien. Seine Karriere ist mit dem Meer und der Marine verbunden. Er ist fest davon überzeugt, dass der Militärberuf ein hohes Maß an Moral, Aufopferungs- und Hilfsbereitschaft erfordert. Und die Emotionen zum Tag des Heldentums und der Bulgarischen Armee erfassen nicht nur die einzelnen Individuen, sondern die ganze Gesellschaft.
Für einen Militärangehörigen muss sein Beruf in erster Linie eine Berufung sein. Die Prüfungen stählen zusätzlich den Willen. 2019 hat der 44-jährige „El Capitan“, wie Todor Dimitrow unter Freunden genannt wird, seinen Körper und Geist vor eine echte Herausforderung gestellt. Er ist der 40. Teilnehmer, der eine als biologisch unmöglich geltende Ausdauerübung erfolgreich gemeistert hat – den längsten zertifizierten Lauf der Welt „Self-Transcendence 3100 Mile Race“. Ziel dieses Marathons ist es, auf einer 883 Meter langen Strecke in 51 Tagen 3.100 Meilen (5.888,97 km) zu laufen. Und als wenn das an sich nicht schon extrem genug wäre, kommen noch die atmosphärischen Bedingungen in der Gastgeberstadt dazu: 100 Prozent Luftfeuchtigkeit und 40 Grad Lufttemperatur, die das Abenteuer abrunden. Das Rennen findet jedes Jahr von Mitte Juni bis Anfang August in New York statt, aber die Covid-19-Pandemie wird es in diesem Sommer vereiteln.
Bemerkenswert dabei ist, dass die Teilnehmer an dieser Challenge keine Profisportler sind. Ein anderer Bulgare, Zwetan Zekow, ist der bislang jüngste Teilnehmer, der die „Self-Transcendence 3100 Mile Race“ bestanden hat.
„Die psychologische Vorbereitung auf den Marathon ist auch extrem wichtig. Sie setzt den Glauben voraus, dass man die fast 5.000 Kilometer lange Strecke bewältigen kann. Damit das auch passiert, darf man dort nicht wie bei einem regulären Rennen antreten und die anderen als Rivalen sehen. Obwohl es eine Rangliste gab, waren wir alle ein Team. Die Herausforderung erschüttert einen definitiv, weil man alle möglichen psychischen und physischen Schwierigkeiten durchläuft“, gesteht Todor Dimtrow.
Er begann als Student zu laufen. Nachdem er allmählich soweit war, 6 Tage zu laufen, was zu den Bedingungen für eine Teilnahme am Ultramarathon zählt, beschloss er sein Glück im Rennen zu versuchen.
“Ich gebe zu, ich hatte große Ehrfurcht vor dem 3100-Meilen-Rennen. Ich habe mich 2019 impulsiv zur Teilnahme daran beworben. Ich dachte mir: Wenn ich Glück habe, nehmen sie mich an. So ist es dazu gekommen. Ich habe große Unterstützung von meinen Freunden erhalten, wofür ich ihnen sehr dankbar bin“ sagt Todor und weiter: „Viele Leute sagen mir bis auf den heutigen Tag, dass ich sie in der einen oder anderen Form motiviert habe, mit dem Laufen zu beginnen oder weiterzumachen.“
Diese Art von Erfahrung verändert sicherlich das Leben eines jeden Teilnehmers, stählt die Psyche und bleibt ein Leben lang in Erinnerung. Die unkonventionelle Lage, in der wir uns derzeit aufgrund der Covid-19-Pandemie befinden, ist auch ein Test für unsere Gemütsverfassung, zumal deren Ende nicht abzusehen ist. Gibt es ein bewährtes Rezept, um unsere Psyche zu schützen?
„Am schwierigsten für die Menschen ist der psychologische Aspekt der Situation“, sagte Todor Dimitrow. „Man sieht sich gezwungen, lange zu Hause zu bleiben, sich in soziale Isolation zu begeben, wenn man ein Familienmitglied schützen will. Jeder muss also etwas finden, das ihm hilft - ein Hobby oder etwas anderes, das seinem Gemütszustand zugutekommt. Meine Kollegen Psychologen glauben, dass es Jahre dauern wird, diese Distanzierung zwischen den Menschen und die Veränderungen in der Gesellschaft zu überwinden.“
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: bereitgestellt von Todor Dimitrow
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