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Kommunalwahlen 2023

Stadtplanung ist eine Politik, die soziale Logik und Gerechtigkeit miteinander verbindet

Architekt Todor Bulew: In Sofia entstehen völlig planlos unterschiedlich hohe Gebäude

Foto: Pixabay

Man erzählt sich, dass es während der Wahlkampagne für Kommunalwahlen gut ist, die Türen der Häuser gut zu verschließen. Auf den Straßen wird eifrig renoviert und ehe man sich versieht, könnte jemand den Hausflur asphaltieren oder den Garten pflastern. Doch lassen wir die Scherze beiseite. Der kommunale Alltag in Großstädten wie Sofia werden von der Architektur, der Versorgungsinfrastruktur und der Stadtplanung bestimmt.


Architekt Prof. Todor Bulew ist ein geeigneter Gesprächspartner, wenn es um Stadtplanung geht. Er ist langjähriger Dozent, Forscher und Autor zahlreicher städtischer Projekte. "In der Stadtplanung des 20. Jahrhunderts wurde das Konzept des Bauleitplans eingeführt, denn wenn Projekte "stückweise" realisiert werden, entsteht eine Disharmonie in der Stadt. Ein Masterplan ist ein Plan, der die Stadt als Ganzes umfasst", erklärt Architekt Prof. Bulew.

Общ градоустройсвен план на София от 1919
„Der erste Bauleitplan von Sofia, wenn er als solcher bezeichnet werden kann, wurde unmittelbar nach der Befreiung Bulgariens von der osmanischen Herrschaft (1878) erstellt. Er umfaßt den noch heute aktuellen Ring aus den Boulevards Partriarch Ewtimij, Wassil Lewski, Skobelew, Opaltschenska und Sliwniza, der damals die Stadt ausmachte. Heute ist das nur der historische Kern von Sofia. Später wuchs die Stadt und es wurden ihr auch die sie umgebenden Dörfer angeschlossen“, erklärt Todor Bulew und fügt hinzu, dass der so genannte Plan Muesmann von 1938, benannt nach dem deutschen Architekten Adolf Muesmann, der den General- und Bebauungsplan für Großsofia erstellte, genau zur rechten Zeit kam, denn Sofia hatte inzwischen schon eine Bevölkerungszahl von ca. 350.000 Einwohner erreicht.
Als Fortsetzung der Politik ordnet die Stadtplanung das städtische Gemeingut und legt den Ambitionen von Einzelpersonen und Institutionen Beschränkungen auf. Eine völlige Freiheit beim Bauen in der Stadt ist unmöglich. Die Stadtplanung regelt die Beziehungen zwischen den Menschen, damit sie, wie Aristoteles sagt, sie zu einem edlen Zweck zusammenleben können, erklärt Architekt Bulew weiter.
Общ градоустройствен план на София - 1933
„Das Gute am Muesmann-Plan ist, dass er sehr deutlich ist, deshalb wird er auch heute noch zitiert. Bedeuerlicherweise sind einige der Ideen heute nahezu verschwunden. Die wichtigste davon ist, die Stadt als eine Gruppe von relativ in sich abgeschlossenen Stadtteilen zu gestalten, die durch Grünflächen voneinander getrennt sind. Auch das Zentrum selbst soll durch solche Grünflächen umgeben werden. In gewisser Weise ist das ein utopischer Plan, da er die industrielle Entwicklung weitgehend ignoriert. Aber der Grundgedanke ist sehr wichtig. Es werden mehrere Bauzonen mit sehr klaren Höhenregelungen eingeführt. Genau das vermissen wir heute - die Höhenregulierung, die fast aufgegeben wurde. Wir sehen, dass in Sofia ziemlich wahllos Gebäude unterschiedlicher Höhe entstehen, die die Stadt in ein seltsames Konglomerat verwandeln."

Плана Мусман от 1938 г.
Der "Muesmann-Plan" ging davon aus, dass die Bevölkerung Sofias auf maximal 500.000 Menschen anwachsen würde. Die Straßen wurden für etwa 65.000 Autos berechnet. Doch bereits 1965 war die Bevölkerung von Sofia auf über 800.000 Menschen angewachsen. 1985 lebten bereits über 1,1 Millionen Menschen in der Stadt. Heute liegt die Einwohnerzahl bei über 1,35 Mio. Es gibt allein über 1 Mio. zugelassene Autos. Zusammen mit den Bussen und den Lastkraftwagen nähert sich die Zahl der Kraftfahrzeuge der Einwohnerzahl. Das rasante Wachstum erfordert eine neue Stadtplanung. Anstatt, dass sie in die Zukunft blickt, ist sie leider ständig am Aufholen. 2006 verabschiedete das Parlament per Gesetz einen neuen Stadtbauplan, der die Willkür von Investoren und Grundstückseigentümern beim Bau eindämmen soll.

Общ градоустройсвен план на София от 1961 г. Плана Нейков
"Das Prinzip in der Stadt ist, dass die Menschen das gleiche Recht auf Raum, Luft, Sonne, freien Zugang zu Grünflächen und anderes haben. Ungeachtet des Gesetzes und des aktuellen allgemeinen Stadtentwicklungsplans werden derzeit in Sofia viele Vorhaben realisiert, die nicht im Plan vorgesehen sind. Doch es werden Schlupflöcher gefunden, um sie zu realisieren. Eines dieser Vorhaben ist der Wunsch, sehr hohe Gebäude an Orten zu bauen, die dafür oft nicht geeignet sind“, sagt Architekt Bulew und bedauert, dass man sich verspätet, klare Vorschriften und Kriterien festzulegen, um die genauen Auswirkungen eines hohen Gebäudes auf die Umgebung zu bewerten. „So etwas gibt es in Sofia noch nicht", sagt er.

Die Anwendung eines Gesetzes, und sei es noch so gut, hängt davon ab, inwieweit es der Gesellschaft gelingt, es zu akzeptieren. Wir brauchen uns nichts vormachen. Der Bau von Städten unterliegt weitgehend der wirtschaftlichen Logik unterliegt. Die Stadtpläne versuchen, diese Logik mit der sozialen Logik und der sozialen Gerechtigkeit in Einklang zu bringen, betont Architekt Bulew. Nach der Aufzählung der konkreten Hochhäuser, die an verschiedenen Orten in Sofia in die Wolken schossen, drehte sich das Gespräch um das Stadtzentrum, die Peripherie der Stadt und das Schicksal der Archäologie im Reservat Serdika-Sredets. Über diese Themen können Sie in der Fortsetzung der Interviews mit Architekt Todor Bulew für Radio Bulgarien nachlesen.


Übersetzung: Georgetta Janewa



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