„Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!“ (Lukas 19,38). Mit diesem begeisterten Ausruf wurde der triumphale Einzug von Jesus Christus in Jerusalem gefeiert, mit der Hoffnung auf Güte und ewiges Leben auf Erden.
Am Tag zuvor hatte Jesus Christus den seit vier Tagen toten Lazarus wieder zum Leben erweckt. Die Nachricht von diesem Wunder versammelte Tausende von Israeliten vor den Toren der Stadt. Sie warteten auf ihn, um sie von der Unterdrückung durch die Römer zu befreien und das Reich der Gerechtigkeit zu errichten.
Obwohl Jesus nicht wie ein edler Herrscher auf einem Pferd, sondern auf einem Esel in Jerusalem einritt und derart das Wesen seiner Heimsuchung zeigte, erkannten die Menschen nicht den Sohn Gottes und begriffen nicht, weshalb er zu ihnen gekommen war.
„Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt an und weinte über sie.“ (Lukas 19,41). In der Vorahnung des völligen Verfalls und Untergangs, der die Stadt und ihre Bewohner erwartet, sagte Jesus:
„Denn du hast die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt.“ Von welcher Heimsuchung spricht der Heiland ? „Er spricht natürlich von seinem Besuch in Jerusalem, als Gottes eingeborener Sohn, der Fleisch geworden ist, um unsere Sünden auf sich zu nehmen, uns von der Macht des Todes zu befreien und allen, die an ihn glauben, die Tore zum Reich Gottes zu öffnen“, sagte Alexandra Karamichalewa, Theologin, Autorin orthodoxer Literatur und Chefredakteurin der „Kirchenzeitung“ der Heiligen Synode der Bulgarischen orthodoxen Kirche, in einem Interview für „Radio Bulgarien“.
„Ich habe über diese Worte des Herrn nachgedacht und darüber, inwieweit wir selbst die Heimsuchungen Gottes in unserem Leben erkennen. Inwieweit sagen wir 'Ehre sei Gott' und inwieweit sind wir dankbar dafür? Und Gottes Heimsuchungen sind all die Gelegenheiten, bei denen wir einem Menschen auf unserem Lebensweg mit seinem Bedürfnis nach Hilfe, Unterstützung, Ermutigung, ein freundliches Wort, ein Lächeln und jede Art von Liebe und Aufmerksamkeit begegnen. Die Heimsuchungen Gottes sind natürlich auch alle Krankheiten, Sorgen und Entbehrungen. Alle Prüfungen, die Gott in unserem Leben zulässt, sind nicht dazu da, um uns zu bestrafen, sondern damit wir die Schwächen unserer Seele erkennen, damit wir in uns alle Reste von Unglauben, mangelnder Geduld, Neid, Anhaftung an materielle Güter erkennen und uns zu gegebener Zeit davon befreien. Und wehe uns, wenn wir diese Heimsuchungen Gottes nicht erkennen und richtig darauf reagieren, wie auch auf all die wunderbaren Dinge, die Gott täglich in unser Leben schickt. Alle Tröstungen, alle Freuden, die er uns schenkt, sind auch Heimsuchungen Gottes, auf die wir mit 'Ehre sei Gott' erwidern sollten, um Gott zu preisen und dankbar zu sein. Sonst, so fürchte ich, steht uns das bevor, was Jerusalem und seinen Bürgern widerfahren ist“, sagte Alexandra Karamichalewa.
Oft schmieden wir in unserem Leben Pläne, wir sind voller Erwartungen, gefangen in unseren eigenen Gedanken. Wir verehren die Starken, wenden uns aber von ihnen ab und vergessen sie, sobald sie Schwäche zeigen. So sind wir auch zu unseren engsten Menschen und zu denen, die wir lieben, betonte Alexandra Karamichalewa und fügte hinzu: „Nicht weniger wechselhaft und unbeständig sind wir in unserer Liebe zu ihnen. Wir freuen uns und behandeln sie gut, wenn sie unsere Erwartungen erfüllen, und wir entziehen ihnen unsere Gunst, ziehen uns zurück, sind verbittert und enttäuscht, sobald sie unsere Ansprüche und Erwartungen nicht erfüllen. So geht es uns auch mit unseren Kindern, unseren Ehepartnern, unseren Freunden, unseren Mitarbeitern und allen anderen. Denken Sie daran, wie schnell wir frustriert und verbittert sind, wenn sie uns bei den kleinsten Dingen nicht gefallen. Traurigerweise sind wir genauso, wenn es um Gott geht. Solange in unserem Leben alles in Ordnung ist, sind wir zufrieden. Sobald wir unter Entbehrungen, Nöten oder Krankheiten leiden, wird unsere Zuwendung recht bald durch 'Wo ist Gott? Warum hilft er mir nicht?' oder in extremen Fällen auch durch 'Es gibt keinen Gott' ersetzt“, betonte Alexandra Karamichalewa.
Die Botschaft dieses heiligen christlichen Feiertages ist also: Wennwir die geweihten Weidenzweige aus der Kirche mit nach Hause nehmen, die die Palmblätter symbolisieren, mit denen die Menschen Jesus Christus in Jerusalem willkommen hießen, sollten wir wissen, was wir feiern und wen wir damit verherrlichen, so die Theologin Alexandra Karamichalewa und weiter:
„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob uns bewusst ist, dass wir heute den Herrn Jesus Christus feiern, der Lazarus vier Tage vor seinem Einzug in Jerusalem auferweckt hat. Er hat ihn wieder zum Leben erweckt, damit er Gott noch viele Jahre lang dienen kann. Wir feiern Christus, der durch seine eigene Kreuzigung und Auferstehung in die Unterwelt hinabgestiegen ist und die Seelen der Gerechten befreit hat, die vor seiner eigenen Geburt, Kreuzigung und Auferstehung gelebt haben. Durch seine Menschwerdung hat der Jesus den Tod besiegt. Er öffnet uns erneut die Tore zum Reich Gottes, wenn wir daran glauben und unser Glaube so stark ist, dass er unser ganzes Leben verwandelt. Unser Glaube sollte so sein, dass dass jede Entscheidung, jede Handlung, ja sogar jeder Gedanke uns einen Schritt an das annähert, was wir sein sollen: gottgleich, dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit näher“, so Alexandra Karamichalewa abschließend.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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