In der Welt der Thraker, in der es keine Schrift gab, wurden die wichtigsten Botschaften durch Kunst überliefert. Der Schatz von Letniza ist genau eine solche Botschaft – über Macht, Glauben und den Weg zur Weisheit.
Dieser außergewöhnliche Fund, datiert auf die Zeit zwischen 385 und 335 v. Chr., besteht aus 23 kunstvoll gearbeiteten Applikationen aus Silber und vergoldetem Silber. Sie waren einst Teil eines prachtvollen Pferdegeschirrs – Zaumzeug und Brustgurt – und vermitteln bis heute die künstlerische Meisterschaft und den symbolischen Reichtum der Thraker. Man nimmt an, dass diese filigranen Verzierungen das Werk zweier Meister sind, eines Thrakers und eines Griechen, die zu Zeiten des Herrschers Kotis I. im 4. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben.

Wie genau diese Botschaft der Antike zu uns gelangt ist, ist eine nicht minder spannende Geschichte. An einem ganz gewöhnlichen Tag im Jahr 1964 führten Arbeiter in der Umgebung des heutigen Städtchens Letniza Erdarbeiten aus, als sie auf einer Tiefe von nur einem halben Meter auf etwas Hartes stießen. Es war ein bronzenes Gefäß, das mit der Öffnung nach unten zeigte. In seinem Inneren verbarg sich einer der bedeutendsten Funde der thrakischen Archäologie.

Die Legenden über den Schatz, seine Plünderung und wie die einzelnen Stücke durch die örtlichen Behörden und Dorfbewohner anschließend wieder aufgerieben und eingesammelt wurden, gleichen einem Filmszenario.
Radoslaw Guschterakliew, leitender Kurator des Regionalen Geschichtsmuseums in Lowetsch, erzählte:
„Der Schatz wurde zufällig in der Umgebung des heutigen Städtchens Letniza entdeckt. Bei Erdarbeiten in einer Tiefe von 50–60 Zentimetern stießen Arbeiter auf ein bronzenes Gefäß. In kürzester Zeit wurde es herausgezogen, sein Inhalt wurde ausgeschüttet und geplündert. Dank der lokalen Behörden und des Archäologen des Museums in Lowetsch, Pawel Pawlow, sowie mit Unterstützung der Einwohner von Letniza – Iwan Wassilew und Dr. Georgi Nikolow – konnten die Funde wieder eingesammelt und dem antiken Fonds des Regionalen Geschichtsmuseums Lowetsch übergeben werden. Es gibt die unterschiedlichsten Erzählungen, manchmal sogar mit einer mythischen Note, über zufällig entdeckte Schätze in der Region Lowetsch oder anderswo im Land. Natürlich existieren auch Legenden darüber, dass vielleicht jemand etwas für sich behalten hat“, weiß Radoslaw Guschterakliew zu berichten.

Auf den antiken Ornamenten sind thrakische Reiter in voller Kampfausrüstung sehen, darunter mit Plattenpanzern – einer alten Rüstung aus kleinen Metallplatten.

Ebenso dramatische Szenen von Tierkämpfen: zwei kämpfende Bären, ein Wolf, der eine Hirschkuh angreift und ein Greif im Kampf mit einem Löwen. Doch dies sind nicht bloß schöne Verzierungen. Für die Thraker, die keine Schrift hatten, waren diese Bilder ein Weg, ihre Glaubensvorstellungen zu vermitteln oder die Bedeutung der Aristokratie hervorzuheben.

Wie Guschterakliew betonte, übermittelten die Thraker durch Gold und Silber etwas Wesentliches, mit der Idee, dem Volk Respekt einzuflößen. Und wie deuten wir, die wir heute im 21. Jahrhundert leben, diese Botschaften?
„Das Wichtigste, was wir erfahren, ist die Art der Herrschaft im damaligen vielgestaltigen alten Thrakien. Diese Applikationen veranschaulichen den Weg, den ein thrakischer Aristokrat zu beschreiten hatte. Er sollte allmählich bestimmtes Wissen erwerben, durch Prüfungen, Weihen und Rituale, um Vollkommenheit zu erlangen. Dieser Weg symbolisiert die Vorbereitung des Herrschers darauf, sein Land zu regieren. Laut einer der Applikationen, einer runden Darstellung mit acht sich jagenden Pferdeköpfen, dauert dieser Zyklus acht Jahre. In dieser Zeit durchläuft der Aristokrat Prüfungen und Rituale, um das Wissen zu erwerben, wie er kämpfen und sein Land verteidigen soll. Am Ende dieses Weges erreicht er den Zustand des Mysten – des ‚Schweigenden‘, des in das Geheimnis von Macht und Weisheit Eingeweihten“, erklärte Guschterakliew.

Nachdem der Schatz eingesammelt und ins Museum gebracht wurde, trat er seine Reise um die Welt an, als wahrer Botschafter unseres jahrtausendealten Erbes.

„Er wurde auf verschiedenen Kontinenten präsentiert – in Europa, Asien und Amerika. Wir wissen, dass er 2023–2024 in Los Angeles gezeigt wurde, danach in Nordmazedonien. Auch im Jahr 2015 wurde er in Paris, im Louvre, ausgestellt.“

Wenn er nicht auf Reisen ist, ist der Schatz im Nationalen Historischen Museum in Sofia zu sehen – dort, wo jedes Detail aus Gold und Silber die Weisheit der Thraker offenbart.
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Autor: Weneta Nikolowa
Übersetzt und veröffentlicht von Rossiza Radulowa
Fotos: letnitsa.bg, bulgarianheritage.bulgariana.eu, Regionales Geschichtsmuseum in Lowetsch
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