Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Die einzige „Schule für Weihnachtssänger“ in Bulgarien

Am Ignatius-Tag beginnen die Weihnachtssänger ihre Vorbereitungen auf Weihnachten

Weihnachtssänger segnen Haus und Hof

7
Foto: Facebook / @etar.gabrovo

Bulgariens einziges ethnographisches Freilichtmuseum „Etara“ in der Nähe der Stadt Gabroвo sorgt für unvergessliche Erlebnisse. So zum Beispiel kann man seit 2017 die dortige „Schule für Weihnachtssänger“ besuchen. Die vor 5 Jahren ins Leben gerufene Initiative ist eine Art „Gegenstück“ zur bereits etablierten „Schule für Lazarus-Mädchen“ und führt junge Menschen an die alten bulgarischen Traditionen rund um Weihnachten heran.

„Die Lazarus-Bräuche stellten Einweihungsrituale für Mädchen dar, während die Weihnachtssänger nur aus Knaben bestehen, die entsprechend in diese Rituale eingeweiht wurden“, erklärt uns Violeta Janewa, Koordinatorin von Veranstaltungen des Freilichtmuseums. „Die Weihnachtslieder und Weihnachtswünsche werden laut den bulgarischen Folkloretradition ausschließlich von angehenden jungen Männern dargebracht. Daher gibt unser Team männlichen Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren die Möglichkeit, sich mit diesem Festritual und einigen Details der Symbolik des Brauchs selbst vertraut zu machen.“


Traditionell versammelten sich die Gruppen der Weihnachtssänger am Ignatius-Tag im Haus ihres jeweiligen Anführers und begannen unter seinen Anweisungen die entsprechenden Weihnachtsgesänge und Sprüche zu lernen. Die Vorbereitungen in der „Schule für Weihnachtssänger“ beginnen etwas früher, damit die Jugendlichen Zeit haben, sich in dieses alte Brauchtum einzuleben.

Warum möchte ich Weihnachtssänger werden?

„Die gesamte Sängergruppe wird „Kol“ (zu Deutsch „Pfahl“) genannt, und die Weihnachtssänger selbst „Kolowe“ (zu Deutsch „Pfähle“). Jeder neue Weihnachtssänger muss ohne fremde Hilfe seinen eigenen Krummstab (Pfahl) herstellen, was zum Einweihungsritual gehört. Normalerweise geschieht das in der Zeit zwischen dem Ignatius-Tag und Heiligabend. Nach altem Brauch werden alle Krummstäbe im Haus des Anführers aufbewahrt und für nichts anderes verwendet, als für den Umzug der Weihnachtssänger“, sagt Violeta Janewa.


Die Weihnachtssängergruppe besteht aus einer ungeraden Anzahl von Mitgliedern und ihre Rollen im Brauch sind genau festgelegt. Die Weihnachtssänger stellen sich nach Alter auf, wobei diejenigen, die zum ersten Mal mit dabei sind, ganz hinten stehen.


„Laut den Vorstellungen unserer Vorfahren, musste jeder Junggeselle mindestens einmal in einer Weihnachtssängergruppe mit dabei gewesen sein, sonst galt er nicht als „heiratsfähig“ und die Mädchen brachten ihm Missachtung entgegen. Andererseits konnten Männer nach der Heirat keine Weihnachtssänger mehr werden. Eine Ausnahme bildete einzig der Anführer der Gruppe, der in den meisten Fällen verheiratet war. An ihm wurde dann jedoch die Bedingung gestellt: er musste mindestens ein Kind haben. Eine weitere Besonderheit bei diesem Bauch war, dass wenn im Haus, das die Weihnachtssänger besuchen, ein Mädchen lebt, deren Freund unter den Weihnachtssängern ist, es speziell für ihn einen Sesamring backen und ihn als Kranz auf seinen Weihnachtssängerhut setzen musste.“ Diese Einzelheit gehört mit zu den Dingen, die die Teilnehmer an der „Schule für Weihnachtssänger“ lernen, versichert uns Violeta Janewa.


Zu den wichtigsten Bräuchen zu Weihnachten gehörte der Umzug der Weihnachtssänger, die jedes Haus im Dorf besuchen mussten. Man glaubte, dass es im kommenden Jahr eine schlechte Ernte geben werde, sollten keine Weihnachtssänger den jeweiligen Hof besuchen. Daher wartete man ungeduldig auf ihr Erscheinen und freute sich über ihren Besuch. Entsprechend wurden sie empfangen und beschenkt. So wurden die speziell für sie zubereiteten Brezel (Sesamringe) auf ihren Krummstäben aufgefädelt.

„Man war der Überzeugung, dass die Weihnachtssänger Fruchtbarkeit und Wohlstand bescheren. Mit ihren Liedern und Sprüchen segneten sie Haus und Hof, seine Bewohner und das Vieh“, erzählte uns weiter unsere Gesprächspartnerin. „Mit ihren magischen Ritualen „befruchteten“ die Weihnachtssänger symbolisch den Boden, so dass er eine bessere Ernte hervorbrachte und sich das Vieh mehrte.“


Die Weihnachtssänger singen ein spezielles Weihnachtslied für jedes Familienmitglied, wobei ihr Anführer entschied, welches Lied gesungen werden soll. Die Umzüge der Weihnachtssänger endeten am 7. Januar mit einer Festtafel im Haus ihres Anführers. Dabei kamen all die Gaben auf den Tisch, die sie von den Bauern erhalten hatten.

Der Brauch des Umzugs der Weihnachtssänger soll am 26. Dezember im ethnographischen Freilichtmuseum „Etara“ nachgestellt werden, und zwar zwei Mal: um 11.30 Uhr und um 13.30 Uhr OEZ. Zugegen werden auch die Absolventinnen der „Schule für Lazarus-Mädchen“ sein.

Weihnachtssänger im Ethnographischen Freilichtmuseum „Etara“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos und Videos: Ethnographisches Freilichtmuseum „Etara“




Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Am anderen Ende der Welt: Bulgarische Folklore als Leidenschaft und Inspiration für Bulgaren in Australien

„Ich glaube, die bulgarische Folklore liegt uns im Blut, sie ist in uns genetisch verankert“ – so begann unser Gespräch mit einer heimatliebenden Bulgarin am anderen Ende der Welt, die es schafft, Generationen von Bulgaren für bulgarische..

veröffentlicht am 08.05.23 um 11:45
Foto: Volkskulturhaus „Swetlina -1907“

Am Vorabend von Georgstag bereiten sich die Einwohner von Jakoruda auf den altertümlichen Brauch „Eintunken der Sträuße“ vor

In Jakoruda, eine Stadt im Südwesten Bulgariens, beginnen die Vorbereitungen für den Georgstag am 6. Mai bereits am Tag davor. Am frühen Morgen holen die Mädchen und Bräute die bunten, für Jakoruda typischen Teppiche und Läufer aus den Kisten ihrer..

veröffentlicht am 05.05.23 um 06:05
Foto: Facebook / festivalcarpets

Festival der Teppiche aus Tschiprowzi deckt Teppichweberei-Techniken auf

Vom 29. April bis zum 1. Mai werden örtliche Teppichweber auf dem zentralen Platz der nordwestbulgarischen Stadt Tschiprowzi an Webstühlen unter freiem Himmel vorführen, wie die berühmten Tschiprowzi-Teppiche gemacht werden. Diese von der UNESCO als..

veröffentlicht am 29.04.23 um 13:05